Englische Kirche: Unterschied zwischen den Versionen
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''„Am 8. Dezember 1894 zog der englische Geistliche Mr. Turner oder wie er nachher hieß, Mr.Tudsberry, in unser Haus und wurde unser Pensionair. Er war ein gutmüthiger Mensch, aber ein wunderlicher Heiliger. Er war sehr faul, tat die ganze Woche nichts als "Besüche" bei den Engländern machen. So zerstreut war er, daß er unser Dienstmädchen, "die fromme Magd Bertalda", wie ich sie immer nannte, jeden Sonnabend himmelhoch bat, sie möge ihn morgen bald wecken und ihn daran erinnern, daß morgen Sonntag sei. Dann stand er auf, schrieb seine Predigt ganz weitläufig auf 4 Quartseiten und schickte diese durch das Mädchen an mich mit der Bitte, die 2 Blätter zusammenzuheften. Das Mädchen, das damals 4 Jahre lang bei uns im Dienst war, hieß Bertha und war ein sehr gutes, geschicktes und williges Mädchen. Sie war aus der Nähe von Halle a. S. und gehörte einer orthodoxen Sekte an, die alle Mittwoch Abende im Restaurant zur schönen Aussicht an dem Treffpunkt der Reinhardsbrunner und Waltershäuser Straße liegt, ihre Betübungen abhielt. Sie hat uns später mit ihrem Mann und 2 Kindern ein Mal besucht. Wie er zu uns zog, hieß er Mr. Turner, nach ein Paar Monaten nahm er aber den vornehmeren Namen Mr. Tudsberry an. Die englische Kirche war damals im Brühl im Hause eines Tischlers, nachher räumte Herzog Alfred ihr das Theeschlößchen ein. Eines Tages bestellte Mr. Klatterbook, ein englischer Oberst, für den anderen Morgen 8 Uhr das Abendmahl. Turner sagte es dem Mädchen und die hatte ihn zu wecken vergessen. Er schlief noch in Gottes Frieden, da kam 1/2 9 Uhr Morgens ein großer vierschrötiger Engländer die Treppe heraufgepoltert, ging bis auf den Boden vor Turners Zimmer und schrie mit Donnerstimme: "Turner ! Turner ! Ich will das Sakrament." Turner sprang aus dem Bett und zog sich schnellstens an, meine Frau mußte ihm aus Franzbrod das Brod zum Abendmahl schneiden und so rannte er davon. Er war als Student in Oxford gewesen in dem College von Oriel, "das klingt so schön zu dem Ohre." Er hatte eine tiefe Verachtung auf die anderen englischen Universitäten, namentlich auf Westminster, so daß ich ihn oft damit neckte. Tralles und Günther waren während dieser Zeit bei uns und wir haben oft einen Heidenspaß über den "Mister", wie wir ihn nannten, gehabt. Eines Abends, als zum Abendbrot gerufen wurde, schoß er im Dunkeln aus seiner Stube heraus und stieß sich derb an einem Balken vor den Kopf. Mit einem Schrei ging er wieder in sein Zimmer zurück, und da es eine Beule am Kopf gegeben hatte, band er sich ein weißes, nasses Taschentuch um den Kopf und kam so zum Essen herunter. Beim Essen brachte er die Rede auf den Leichenbeschauer zu Liverpool und erzählte viele Geschichten von diesem Menschen. In dem Eifer des Erzählens sprang er auf, ging an den Ofen, strich mit beiden Händen an dem Ofen herunter und fuhr sich dann wieder in das Gesicht, sodaß sein Gesicht und das weiße Tuch ganz schwarz wurden. So furchtbar gelacht haben wir nie wieder. Als dann im Theeschlößchen eine Wohnung für den Geistlichen im oberen Stockwerk eingerichtet wurde zog er von uns weg in diese Dienstwohnung. Doktor Schwarz mit seiner Frau und wir waren von ihm zum Kaffee eingeladen und saßen dort auf dem Balkon. Er ging dann sehr bald nach England zurück, und soll dort mehrfach in Irrenheilanstalten gewesen sein. Wir haben nie wieder von ihm direkt etwas gehört.“'' | ''„Am 8. Dezember 1894 zog der englische Geistliche Mr. Turner oder wie er nachher hieß, Mr.Tudsberry, in unser Haus und wurde unser Pensionair. Er war ein gutmüthiger Mensch, aber ein wunderlicher Heiliger. Er war sehr faul, tat die ganze Woche nichts als "Besüche" bei den Engländern machen. So zerstreut war er, daß er unser Dienstmädchen, "die fromme Magd Bertalda", wie ich sie immer nannte, jeden Sonnabend himmelhoch bat, sie möge ihn morgen bald wecken und ihn daran erinnern, daß morgen Sonntag sei. Dann stand er auf, schrieb seine Predigt ganz weitläufig auf 4 Quartseiten und schickte diese durch das Mädchen an mich mit der Bitte, die 2 Blätter zusammenzuheften. Das Mädchen, das damals 4 Jahre lang bei uns im Dienst war, hieß Bertha und war ein sehr gutes, geschicktes und williges Mädchen. Sie war aus der Nähe von Halle a. S. und gehörte einer orthodoxen Sekte an, die alle Mittwoch Abende im Restaurant zur schönen Aussicht an dem Treffpunkt der Reinhardsbrunner und Waltershäuser Straße liegt, ihre Betübungen abhielt. Sie hat uns später mit ihrem Mann und 2 Kindern ein Mal besucht. Wie er zu uns zog, hieß er Mr. Turner, nach ein Paar Monaten nahm er aber den vornehmeren Namen Mr. Tudsberry an. Die englische Kirche war damals im Brühl im Hause eines Tischlers, nachher räumte Herzog Alfred ihr das Theeschlößchen ein. Eines Tages bestellte Mr. Klatterbook, ein englischer Oberst, für den anderen Morgen 8 Uhr das Abendmahl. Turner sagte es dem Mädchen und die hatte ihn zu wecken vergessen. Er schlief noch in Gottes Frieden, da kam 1/2 9 Uhr Morgens ein großer vierschrötiger Engländer die Treppe heraufgepoltert, ging bis auf den Boden vor Turners Zimmer und schrie mit Donnerstimme: "Turner ! Turner ! Ich will das Sakrament." Turner sprang aus dem Bett und zog sich schnellstens an, meine Frau mußte ihm aus Franzbrod das Brod zum Abendmahl schneiden und so rannte er davon. Er war als Student in Oxford gewesen in dem College von Oriel, "das klingt so schön zu dem Ohre." Er hatte eine tiefe Verachtung auf die anderen englischen Universitäten, namentlich auf Westminster, so daß ich ihn oft damit neckte. Tralles und Günther waren während dieser Zeit bei uns und wir haben oft einen Heidenspaß über den "Mister", wie wir ihn nannten, gehabt. Eines Abends, als zum Abendbrot gerufen wurde, schoß er im Dunkeln aus seiner Stube heraus und stieß sich derb an einem Balken vor den Kopf. Mit einem Schrei ging er wieder in sein Zimmer zurück, und da es eine Beule am Kopf gegeben hatte, band er sich ein weißes, nasses Taschentuch um den Kopf und kam so zum Essen herunter. Beim Essen brachte er die Rede auf den Leichenbeschauer zu Liverpool und erzählte viele Geschichten von diesem Menschen. In dem Eifer des Erzählens sprang er auf, ging an den Ofen, strich mit beiden Händen an dem Ofen herunter und fuhr sich dann wieder in das Gesicht, sodaß sein Gesicht und das weiße Tuch ganz schwarz wurden. So furchtbar gelacht haben wir nie wieder. Als dann im Theeschlößchen eine Wohnung für den Geistlichen im oberen Stockwerk eingerichtet wurde zog er von uns weg in diese Dienstwohnung. Doktor Schwarz mit seiner Frau und wir waren von ihm zum Kaffee eingeladen und saßen dort auf dem Balkon. Er ging dann sehr bald nach England zurück, und soll dort mehrfach in Irrenheilanstalten gewesen sein. Wir haben nie wieder von ihm direkt etwas gehört.“'' |
Aktuelle Version vom 20. Oktober 2020, 18:59 Uhr
Bericht des Justizrats Carl Jacobs, 1836-1908, Gotha über die Englische Kirche zu Gotha:
„Am 8. Dezember 1894 zog der englische Geistliche Mr. Turner oder wie er nachher hieß, Mr.Tudsberry, in unser Haus und wurde unser Pensionair. Er war ein gutmüthiger Mensch, aber ein wunderlicher Heiliger. Er war sehr faul, tat die ganze Woche nichts als "Besüche" bei den Engländern machen. So zerstreut war er, daß er unser Dienstmädchen, "die fromme Magd Bertalda", wie ich sie immer nannte, jeden Sonnabend himmelhoch bat, sie möge ihn morgen bald wecken und ihn daran erinnern, daß morgen Sonntag sei. Dann stand er auf, schrieb seine Predigt ganz weitläufig auf 4 Quartseiten und schickte diese durch das Mädchen an mich mit der Bitte, die 2 Blätter zusammenzuheften. Das Mädchen, das damals 4 Jahre lang bei uns im Dienst war, hieß Bertha und war ein sehr gutes, geschicktes und williges Mädchen. Sie war aus der Nähe von Halle a. S. und gehörte einer orthodoxen Sekte an, die alle Mittwoch Abende im Restaurant zur schönen Aussicht an dem Treffpunkt der Reinhardsbrunner und Waltershäuser Straße liegt, ihre Betübungen abhielt. Sie hat uns später mit ihrem Mann und 2 Kindern ein Mal besucht. Wie er zu uns zog, hieß er Mr. Turner, nach ein Paar Monaten nahm er aber den vornehmeren Namen Mr. Tudsberry an. Die englische Kirche war damals im Brühl im Hause eines Tischlers, nachher räumte Herzog Alfred ihr das Theeschlößchen ein. Eines Tages bestellte Mr. Klatterbook, ein englischer Oberst, für den anderen Morgen 8 Uhr das Abendmahl. Turner sagte es dem Mädchen und die hatte ihn zu wecken vergessen. Er schlief noch in Gottes Frieden, da kam 1/2 9 Uhr Morgens ein großer vierschrötiger Engländer die Treppe heraufgepoltert, ging bis auf den Boden vor Turners Zimmer und schrie mit Donnerstimme: "Turner ! Turner ! Ich will das Sakrament." Turner sprang aus dem Bett und zog sich schnellstens an, meine Frau mußte ihm aus Franzbrod das Brod zum Abendmahl schneiden und so rannte er davon. Er war als Student in Oxford gewesen in dem College von Oriel, "das klingt so schön zu dem Ohre." Er hatte eine tiefe Verachtung auf die anderen englischen Universitäten, namentlich auf Westminster, so daß ich ihn oft damit neckte. Tralles und Günther waren während dieser Zeit bei uns und wir haben oft einen Heidenspaß über den "Mister", wie wir ihn nannten, gehabt. Eines Abends, als zum Abendbrot gerufen wurde, schoß er im Dunkeln aus seiner Stube heraus und stieß sich derb an einem Balken vor den Kopf. Mit einem Schrei ging er wieder in sein Zimmer zurück, und da es eine Beule am Kopf gegeben hatte, band er sich ein weißes, nasses Taschentuch um den Kopf und kam so zum Essen herunter. Beim Essen brachte er die Rede auf den Leichenbeschauer zu Liverpool und erzählte viele Geschichten von diesem Menschen. In dem Eifer des Erzählens sprang er auf, ging an den Ofen, strich mit beiden Händen an dem Ofen herunter und fuhr sich dann wieder in das Gesicht, sodaß sein Gesicht und das weiße Tuch ganz schwarz wurden. So furchtbar gelacht haben wir nie wieder. Als dann im Theeschlößchen eine Wohnung für den Geistlichen im oberen Stockwerk eingerichtet wurde zog er von uns weg in diese Dienstwohnung. Doktor Schwarz mit seiner Frau und wir waren von ihm zum Kaffee eingeladen und saßen dort auf dem Balkon. Er ging dann sehr bald nach England zurück, und soll dort mehrfach in Irrenheilanstalten gewesen sein. Wir haben nie wieder von ihm direkt etwas gehört.“
Urheberrechtshinweis
ARCHIV DER SCHLESWIG-THUERINGISCHEN FAMILIE JACOBS Werkverzeichnis Gothaer Hofmaler Paul Emil JACOBS http://blog.familienarchiv-jacobs.de/ Deutsches Geschlechterbuch Bd. 214, S. 267-946 Pastor Rudolf W. L. Jacobs, Friedrich-Ebert-Str. 43, Postfach 1406, D - 59404 Unna Tel. 02303 158 52; e-mail: rwljacobs@aol.com