Karoline - Ein Frauenbild aus der Romantik

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Im Jahre 1932 nach Briefen zusammengestellt von Dr. phil. h.c. Else Wentscher (1877-1946).

Karoline. Auf einem Stich nach dem Gemälde von Johann Friedrich August Tischbein aus 1798.

Jedem Kunstwerk bringen wir Modernen in hohem Maße psychologisches Interesse entgegen. Wir wünschen die Menschen, die uns dargestellt werden, innerlich verstehen, ihre Entwicklung, ihr Tun und Lassen im Innersten begreifen zu können. Keine Literaturgattung kommt dieser Einstellung mehr entgegen als Briese und Memoiren, und sie sind vor allem aufschlussreich für die Zeit der Romantik. Sie hat uns die schönsten Briefsammlungen geschenkt, in denen der ganze Mensch uns lebensvoll entgegentritt. Aus dieser Zeit stammen auch die Briese der Karoline Schlegel-Schelling, der Frau, die Wilhelm Scherer für das größte Briefgenie erklärt, das Deutschland hervorgebracht hat.

Diese Dokumente einer wirren Zeit, die sich hier in einem tiefempfindenden Geist spiegelt, sind heute besonders reizvoll Sie liegen in zwei Ausgaben vor: in einer zweibändigen von Georg Waitz und Erich Schmidt und in einer sehr guten Auswahl, herausgegeben von Ricarda Huch

Die Briese von Karoline lassen uns verstehen, wie alle Literarhistoriker, die sich in sie versenken, immer wieder von dem Zauber ihres Wesens gebannt werden. Es war das Los dieser seltenen Frau, "über den Tod hinaus Enthusiasmus und Abneigung zu erwecken". Schiller und sein Kreis sahen in ihr die ränkevolle "Dame Luzifer", andern galt sie als höchste Vollendung menschlichen Wesens. Karoline, noch ein Kind der Aufklärungszeit, ist 1763 in Göttingen als Tochter des berühmten Orientalisten Professor Michaelis geboren. Einundzwanzigjährig, wurde sie, wie sie selbst erzählt, "an den besten Freund ihres Bruders verheiratet". Es war der Arzt Dr. Böhmer in dem Städtchen Clausthal im Harz.

Die Ehe ist harmonisch, aber sie kann Karolines Wesen nicht ausfüllen, und in dem kleinen, von Leben und Kultur unberührten Clausthal kann der lebhafte Geist Karolines sich nicht wohl fühlen. Völlig ausgefüllt wird Karoline erst durch ihre leidenschaftliche Mutterliebe. Nach vierjähriger Ehe starb der Gatte, und Karoline entfloh dem Bergnest, das ihr nie zur Heimat geworden wäre.

Zunächst weilte sie im Vaterhaus in Göttingen, sodann bei ihrem Bruder in Marburg. Bald aber stürzte sie sich in wogendes Leben. Sie erhielt eine Einladung des Ehepaares Forster in Mainz. Diese Stadt hatte sich, umbraust von den Stürmen der französischen Revolution, 1792 der französischen Republik angeschlossen. Auch Forster, dessen Ehe mit Karolines Jugendfreundin damals gerade in die Brüche ging, schlug sich begeistert auf die Seite der Franzosen. Das Karoline bei dem einsamen Mann aushielt, sollte ihr zum Verhängnis werden.

Auch ihre Freude an reichen, ja abenteuerlichen Erlebnissen hielt sie an Mainz gebunden.

"Ich ginge ums Leben nicht von hier", schreibt sie, "denke dir, wenn ich meinen Enkeln einst erzählte, wie ich eine Belagerung erlebt."

Endlich, nachdem die Preußen die Stadt wieder eingenommen haben, entschließt sie sich mit ihrer kleinen Auguste zur Reise in die Heimat. Aber da wird sie von den Siegern aufgegriffen, denn sie gilt nicht nur als franzosenfreundlich, sondern als Vertraute des französischen Generals. So wird sie "als Geisel" nach der Festung Königstein gebracht, wo "sie Monate schwerer Gefangenschaft verleben muss. So sehr Karoline ihre Unschuld beteuerte, der Schein sprach gegen sie, denn sie erwartete, Mutter eines Kindes zu werden, ohne mit dessen Vater ehelich verbunden zu sein. Aber auch ihre Briefe aus der Zeit tiefsten Elends zeugen von unbeugsamem Mut und von einer Lebensenergie, die durch nichts zu brechen ist. Sie bewährt jetzt ihren Glauben, dass es des Menschen Pflicht sei, glücklich zu sein, und dass man sich, wenn die Blüte mangelt, am Blatt freuen müsse. "Am der Götter und der Menschen willen will ich glücklich sein und keine Bitterkeit aufkommen lassen."

Damals nahm sich ein früherer Verehrer, der es schon lange auf Karoline abgesehen hatte, August Wilhelm Schlegel, treu ihrer an. Ihm und Karolines Bruder gelang es schließlich, sie zu befreien. Sie wurde aus der Hast entlassen, "weil sie nichts verschuldet hatte". Ihre Elastizität aber lässt sie die schlimme Seit auch seelisch bald überwinden. "Ich habe zwei schreckliche Monate verlebt, aber gib mir morgen Ruhe und Verborgenheit, so vergesse ich alles und bin glücklich." August Wilhelm Schlegel hatte Karoline schon vor langer Zeit umworben, aber sie hatte ihn abgewiesen. Und wirklich sind die beiden im Grunde ihres Wesens ganz verschieden. Karolines ganzes Wesen war Begeisterung für Poesie, intuitives Erfassen des Kunstwerks und unmittelbare Einfühlung in alle Lebensverhältnisse und Menschen. So konnte Schlegel, dessen Geist sich in kritischer Zergliederung gefiel, sie niemals ausfüllen. In einem Brief aus ihrer Ehezeit schreibt sie an Schlegel: "Es dauert mich, dass ich mir nicht einen Revers von dir habe unterschreiben lassen, dich aller Kritik fortan zu enthalten. O mein Freund, wiederhole es dir unaufhörlich, wie kurz das Leben ist, und dass nichts so wahrhaft existiert wie ein Kunstwerk. Kritik geht unter, leibliche Geschlechter verlöschen. Systeme wechseln. Aber wenn die Welt einmal aufbrennt wie ein Papierschnitzel, so werden die Kunstwerke die letzten lebendigen Funken sein, die ins Haus Gottes eingehen. Dann erst kommt Finsternis." Hier berührt Karoline selbst, was sie in ihrem innersten Empfinden von Schlegel trennt. Aber Schlegel war es, der Karoline, als sie bürgerlich und politisch in ihrer Existenz bloßgestellt war, Hilfe und Hand anbot. Das die Frau diese Hand annahm, obgleich sie innerlich mit der ganzen Kraft ihrer leidenschaftlichen Seele Wilhelm Schlegel nicht angehören konnte: dieser Schritt ist es, um dessentwillen man ihr zürnen muss.

Auch Friedrich Schlegels Briefe bezeugen, welchen Zauber Karoline selbst damals in ihrem Unglück noch ausübte. Ja, er, der in hohem Grade von sich überzeugt ist, bekennt sogar: "Die Überlegenheit ihres Verstandes über den meinigen habe ich sehr frühe gefühlt. Ihre Urteile über Poesie find mir sehr neu, sie dringen tief ins Innere." Friedrich Schlegel hat noch an anderen Ort eine Charakteristik Karolines entworfen, die unmittelbares Erleben verrät. In seinem Roman "Lucinde" ist Karoline das Urbild für die edelste der gezeichneten Persönlichkeiten. Hier bekennt der Verfasser:

"In ihrem Wesen lag jede Hoheit und jede Zierlichkeit, die der weiblichen Natur eigen sein kann. Jede Gottähnlichkeit und jede Unart, aber alles war fein, gebildet und weiblich. Frei und kräftig entwickelte und äußerte sich jede einzelne Eigenheit, als sei sie nur für sich allein da. Und dennoch war die reiche, kühne Mischung so ungleicher Dinge nicht verworren, denn ein Geist beseelte es, ein lebendiger Hauch von Harmonie und Liebe. Sie konnte in derselben Stunde irgendeine komische Albernheit mit dem Mutwillen und der Reinheit einer gebildeten Schauspielerin nachahmen und ein erhabenes Gedicht vorlesen mit der hinreißenden Würde eines kunstlosen Gesanges. Bald wollte sie in Gesellschaft glänzen und tändeln, bald war sie ganz Begeisterung, und bald half sie mit Rat und Tat, ernst und freundlich, wie eine zärtliche Mutter. Eine geringe Begebenheit wurde durch die Art, wie sie sie erzählte, so reizend wie ein schönes Märchen. Alles umgab sie mit Gefühl und Witz, sie hatte Sinn für alles, und alles kam veredelt aus ihrer bildenden Hand und von ihren süß redenden Lippen. Sie vernahm jede Andeutung, und sie erwiderte auch auf die Frage, die nicht gesagt war. Es war nicht möglich, Reden mit ihr zu halten, es wurden von selbst Gespräche. Und während dem steigernden Interesse spielte auf ihrem feinen Gesicht eine immer neue Musik von geistvollen Blicken und lieblichen Mienen. Dieselben glaubte man zu sehen, wie sie sich bei dieser oder jener Stelle veränderten, wenn man ihre Briefe las, so durchsichtig und seelenvoll schrieb sie, was sie als Gespräch gedacht hatte. Wer sie nur von dieser Seite kannte, hätte bedenken können, sie sei nur liebenswürdig sie würde als Schauspielerin bezaubern müssen. und ihren geflügelten Worten fehle nur Maß und Reim, um zarte Poesie zu werden. Und doch zeigte eben diese Frau bei jeder großen Gelegenheit Mut und Kraft zum Erstaunen."

In dieser Darstellung sehen wir die anmutige Frau lebhaft vor uns. Ihr Wesen ist es, dass sie mit tiefster Seele alles empfand und erlebte. Und nun fügte eine Kette von Ereignissen es, dass sie Wilhelm Schlegel die Hand reichte. Auch dieser Verbindung suchte sie die besten Seiten abzugewinnen. Doch war beider Zusammenleben nicht wahrhaft harmonisch.

Da trat - zwei Jahre nach der Verheiratung von Schlegel und Karoline - in Jena der geistsprühende Philosoph Schelling auf, dessen Wesen und Werk auch auf Goethe den tiefsten Eindruck gemacht hatten. In ihm begegnet Karoline zum ersten mal die Persönlichkeit, die ihrem innersten Wesen sympathisch und kongenial, ja notwendig war: hier erlebt sie einen Mann bei dem ahnungsvolles leidenschaftliches Erfassen gepaart ist mit Kraft und Energie. Schelling ist berufen, die "noch nie erfüllte Sehnsucht der ihm in Welt- und Menschenkenntnis überlegenen, um zwölf Jahre älteren Frau zu stillen". Friedrich Schlegel erkennt bald Schellings Neigung, und er dringt in seinen Bruder, die Ehe mit Karoline zu lösen. Aber sie selbst widerstrebt dem aus äußeren Rücksichten In allen diesen Misshelligkeiten trifft sie der schwerste Schlag, den das Leben ihr bereitete: ihre über alles geliebte Tochter Auguste wird ihr durch den Tod entrissen. "Ich lebe nur noch halb und wandle wie ein Schatten umher", schreibt sie damals an eine Freundin. In der Zeit des tiefsten Schmerzes ist Schelling, dem die liebliche Auguste auch ans Herz gewachsen war, der unglücklichen Mutter Trost und Stütze.

Lange Zeit kämpft Karoline gegen ihre Leidenschaft für Schelling energisch an. Nichts andres als Mutter will sie ihrem Freund sein. "Als deine Mutter begrüße ich dich, keine Erinnerung soll das zerrütten. Du bist nun meines Kindes Bruder, ich gebe dir diesen heiligen Namen. Es ist fortan ein Verbrechen, wenn wir uns etwas andres sein wollen".

August Wilhelm Schlegel lebt damals in Berlin, während Karoline in Braunschweig weilt. So besitzen wir auch Briefe, die sie ihrem Manne in jener Zeit gesandt hat. Nirgends finden wir darin auch nur den geringsten Versuch, ihre Freundschaftsgefühle für Schelling zu verschweigen. Und sie ist fest entschlossen, bei Schlegel auszuharren. Man hat sie mit Recht eine "weibliche Gleichen" genannt, denn es ist zweifellos, dass sie auch den fernen Gatten noch liebte. Ihm gilt ja schließlich das Opfer, das sie bringt, wenn sie gegen ihre Leidenschaft für Schelling ankämpft. Sie bittet Schlegel, zu ihr zurückzukehren: "Denke nur, dass deine Gegenwart mir oft wohltätig sein wird, und entziehe sie mir nicht zu lange." Aber Schlegel bleibt diesen Bitten taub; er kehrt nicht zurück.

Geistige Bande vereinen die einsame Frau inzwischen mit dem großen Philosophen. Es ist bewundernswert, wie sie sich in seine immerhin schwierigen und abstrakten Gedankengänge hineinarbeitet. Aber so lebhaft diese die Frau beschäftigen, sie bringen die Konflikte in ihrer Seele nicht zum Schweigen. Davon zeugen ihre Briefe, wenn sie an Schelling schreibt: "Die Furcht, dein Missfallen zu erregen, und der zerrüttende Eindruck, den dein Missfallen auf mich macht, die muss ich fliehen, um der Liebe und um meines heiligen und unabänderlichen Grams willen, der solche Störung nicht mehr erträgt. Darum muss ich mich wenigstens insofern von dir trennen, dass du nicht leidest durch meine Schuld." Offenbar hat Schelling einmal im Scherz ihre Fähigkeit zur Treue in Zweifel gezogen, denn sie erwidert ihm:

"Spotte nur nicht, du Lieber, ich war doch zur Treue geboren, und ich wäre treu gewesen, mein Leben lang, wenn die Götter es gewollt hätten. Ungeachtet der Ahndung von Ungebundenheit, die immer in mir war, hat es mir die schwerste Mühe gekostet, untreu zu werden, wenn man das so nennen will, denn innerlich bin ich es nie gewesen. Dieses Bewusstsein von innerlicher Treue hat mich oft böse gemacht und hat mir erlaubt, mir wagend zu erlauben. Ich kannte das ewige Gleichgewicht in meinem Herzen. Niemals aber könnte ich doch wie Jakob ausrufen: Verlasse dich nicht auf dein Herz. Ich müsste mich auf mein Herz verlassen, Und hätte es mich in Not und Tod geleitet."

In allen diesen Konflikten aber ist der Schmerz um das verlorene Kind die tiefste Regung in Karolines Seele. So schreibt sie ihrem Freund:

"Vor einem Jahr pflücktest du mit meinem Kinde Veilchen, und ihr brachtet sie der kranken Mutter. Nun brechen Veilchen wohl auch aus der heiligen Erde, die sie bedeckt. Arme Mutter, warum nicht auch aus deinem Hügel?"

Schlegel gab Karolines Bitten, zurückzukehren, nicht nach. Nachdem die Gatten weit mehr als ein Jahr getrennt gelebt haben, entschloss sich Karoline, nach Berlin zu reisen. Bei diesem Zusammensein wurde es beiden klar, dass sie nicht mehr zueinander passten. Es kam zu unerfreulichen Verhandlungen über Geldsachen, und schließlich hegten beide den Wunsch, das Band, das sie nur noch äußerlich umfasste, zu lösen. So richteten sie an den Herzog von Weimar das Gesuch um Scheidung. Darin brachten sie zum Ausdruck, dass sie beide "eine rechtliche Trennung ihrer Verbindung für notwendig und für ein Glück halten würden". Karoline aber wendete sich mit der Bitte, das Gesuch zu unterstützen, an den Mächtigsten in Weimar, an Goethe. Und dieser nahm sich ihrer "fast väterlich an". So konnte es nicht fehlen, dass der Bitte Gehör gegeben wurde. Karoline wurde daraufhin der Gegenstand übelster Nachrede. Wir aber vermögen ihr auch jetzt ins Herz zu schauen, denn wir besitzen den Brief, in dem sie, in gewohnter Ehrlichkeit, einer Freundin ihr Inneres öffnet:

"Das Band der Ehe zwischen Schlegel und mir ist aufgehoben, das einer herzlichen Freundschaft und Achtung wird hoffentlich immer bestehen bleiben. Aber ich gewann immer mehr Ursache, mich für eine entschiedene und öffentliche Trennung zu entschließen, nicht ohne Kampf, weil es mir schrecklich war, auch noch durch dieses gehen zu müssen, das ich aber endlich durchaus für Pflicht hielt. Ich konnte und wollte Schlegel nicht mehr alles sein und hätte ihn, der in der Blüte seines Lebens steht, nur verhindert, aus andern Wegen sein Glück zu suchen. Dazu kam, dass meine Gesundheit mir nicht erlaubt, Mutter zu werden, so wollte ich ihn auch dessen nicht berauben."

Wer diese aus tiefstem Empfinden quellenden Worte liest, wird nicht behaupten können, dass Karoline ihre Ehe mit Schlegel leichtsinnig gelöst habe. Und dennoch sucht sie auch in sich selbst die Schuld für ihr verworrenes Schicksal. Denn sie sagt sich jetzt: "Ich hätte behutsamer sein sollen und die Heirat mit ihm nicht eingehen, zu der mich damals mehr das Drängen meiner Mutter als eigner Wille bestimmte. Schlegel hätte immer nur mein Freund sein sollen, was er sein Leben hindurch so redlich und oft so sehr edel gewesen ist."

Aber aus all diesen Zweifeln und Vorwürfen erhebt die Frau, deren Herz nicht dauernd geschädigt werden konnte, wieder mutig und selbstsicher ihr Haupt, denn sie fährt in jenem Briefe fort: "Jetzt, nachdem das Schicksal keines andern Wesens mehr an das meinige gebunden ist, bin ich wohl berechtigt, zu tun, was für mich das Rechte und Wahre ist, und auch ganz und gar nicht danach zu fragen, wie das nach außen hin aussieht."

Ein Goethewort ist wie auf Karoline gemünzt: "Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit." Denn Menschlichkeit kann man der Frau nicht absprechen, die das innigste Mitempfinden mit andern zeigt und dann wieder soviel Mut, Aufrichtigkeit und eine bei Frauen seltene Seelenstärke aufbringt. Auch spricht für Karolines reines und freundliches Wesen die warme Sympathie, die Schellings Eltern, der alte schwäbische Prälat und seine Gattin, ihr entgegenbringen. Bald nachdem die Scheidung ausgesprochen war, findet Karoline das freundlichste Asyl und die herzlichste Aufnahme in der Prälatur Murrhardt in Schwaben, bei "Schellings ehrwürdigem Vater und der herzensguten Mutter". Nach einiger Seit kommt auch der Philosoph dorthin, und nun findet, von des Vaters Hand vollzogen, die Trauung statt. Die Neuvermählten gehen zunächst nach Bayern, weil Schelling einen Ruf an die Universität Würzburg hatte. Später siedeln sie nach München über, wo Schelling nach einiger Zeit Professor an der Universität wurde.

Es scheint, als sei nun doch noch Karolines Gebet um "Einfachheit des Geschickes" erfüllt worden. Es ist ihr vergönnt, in beglückender Seelengemeinschaft mit dem Freund zu leben. Davon zeugen ihre Briefe aus jenen Jahren. Von besonderem Interesse ist in diesen Briefen die Schilderung Bettina Brentanos.

"Es ist ein wunderliches kleines Wesen, eine wahre Bettine (aus den Venezianischen Epigrammen) an körperlicher Schmiegsamkeit und Biegsamkeit, innerlich verständig, aber äußerlich ganz töricht, anständig und doch über allen Anstand hinaus, alles aber, was sie ist und tut, ist nicht rein natürlich, und doch ist es ihr unmöglich, anders zu sein. Sie leidet an dem Brentano`schen Familienübel einer zur Natur gewordenen Verschrobenheit... Unter dem Tisch ist sie öfter zu finden als darauf, auf einem Stuhl niemals. Du wirst neugierig sein, zu wissen, ob sie dabei hübsch und jung ist. Und da ist es wieder drollig, dass sie weder hübsch noch hässlich, weder wie ein Männlein noch wie ein Fräulein, weder jung noch alt aussieht".

Karoline hat trotz ihrer literarischen Begabung nie danach gestrebt, Schriftstellerin zu werden, aber sie gehört dennoch der Weltliteratur an. Denn ihre Briefe zählen zu dem Schönsten, was wir auf diesem Gebiet besitzen. Die geringste Begebenheit wird durch die Art, wie sie sie erzählt, reizvoll, und ihre reiche, starke Seele gibt sich hier so, dass wir ihr tiefes und trotz aller Irrwege reines Frauenleben liebgewinnen müssen.

Karoline ist nicht alt geworden. Sechsundvierzigjährig, wurde sie, als sie mit ihrem Gatten in der schwäbischen Heimat weilte, von einer tückischen Krankheit dahingerafft. Was sie den Ihren gewesen, geht aus einem Brief hervor, den Schelling bald nach ihrem Hinscheiden an eine gemeinsame Freundin schreibt:

"Die beste, liebste Frau ist nicht mehr. Wir ahnten ihr nahes Scheiden nicht. Das einzige, was alle meine Verwandten bemerkten, ist, dass sie diesmal so besonders liebevoll und zärtlich gegen alle war. Allen schien sie wie verklärt zu sein und schwebt ihnen jetzt nach ihrem Tode wie ein göttliches Wesen vor."

In einem Brief an Karolines Bruder zeichnet Schelling noch einmal die tiefsten Wesenszüge seiner Gattin:

"Sie war ein einziges Wesen, man musste sie ganz oder gar nicht lieben. Die Gewohnheit, das Herz in der Mitte zu treffen, behielt sie bis an ihr Ende. Wäre sie mir auch nicht gewesen, was sie mir war, ich müsste trauern, dass dies Meisterstück der Geister nicht mehr ist: dieses seltene Weib, von männlicher Seelengröße, von dem schärfsten Geist mit der Weichheit des weiblichen, zartesten, liebevollsten Herzens vereint . . . Die Welt wird ärmer durch solchen Tod".

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