Das Schikaneder Schlössel

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Gartenansicht mit Schlössel

Artikel eines unbekannten Autors mit Photographien des Ingenieur Franz Mayer, aus 1933

Man rast mit den Verkehrsmitteln der modernen Zeit an viel Schönem vorüber. Weil es sich nicht aufdrängt, weil es still ist, weil es versteckt bleibt und bleiben will. Auch das verträumte Nußdorf, sanft an den zur Donau ab abfallenden Leopoldsberg gelehnt, gehört zu diesen übersehenen Dingen. Die Heiligenstädterstraße schneidet scharf durch rechts- und linksstehende Häuser, an denen an Sommersonntagen große Autobusse vorbei vorbeischaukeln. Das Ziel ihrer Insassen ist meist eines der vielen Strandbäder an der Donau, und während der eilenden Fahrt fällt kaum ein Blick auf die vorüberfliegenden Häuserfronten und Gärten. Diese Gegend kennt man doch ohnehin .. . Machte man sich aber einmal die Mühe, dort ein wenig zu Fuß zu gehen, so gäbe es manche reizvolle Entdeckung. Da ist ein echtes Altwiener Vorortedorf stehen geblieben. Unverändert die gelben Fassaden und grünen Fensterläden. Es ist eines jener Dörfer, in denen die guten Geister des Alkohols zu Hause sind. Die Luft riecht süßlich nach Hopfen, der im benachbarten Bräuhaus zu Bier gemacht wird. In die Stufen des Berges sind Weinkeller gebohrt und aus ihren geöffneten Pforten dringt angenehm einladend süffiger Weindunst. Das alles hat noch den Stil von vor hundert und mehr Jahren. Würde man heute ein Kellertor mit vier schönen Säulen einfassen, die dem Klassizismus alle Ehren machen? Die Häuser sind alt und uralt. Auf einem steht sogar, daß es schon im Jahre 1600 und soundsoviel „renoviert“ wurde. Der kleine Ort ist ganz in ein vergangenes Gestern verwoben. In Geschichte der Politik und in die der Kunst. Eines der schönsten Häuser dort ist jenes, das einst Schikaneder als Buon retiro erworben hat. Jetzt bekommt es wieder mit Musik zu tun: niemand anderer als Franz Lehar, der Meister moderner Wiener Weisen, die aus zu tiefst österreichischem Musikantentum kommen, wird demnächst hieher ziehen. Als später Nachfolger Schikaneders, der ja ein Librettist Mozarts war. Musiktradition wird nun hier wieder fortgesponnen werden. Auch andere große Namen österreichischer Geistesgeschichte werden im Zusammenhang mit diesem architektonischen Barockgedicht lebendig. Grillparzer hat Schikaneder hier besucht, der ihm Anregungen für seine „Ahnfrau“ gegeben haben soll. ln seiner Selbstbiographie erzählt der Dichter, welchen außerordentlichen Eindruck er von der „Zauberflöte“ erhalten habe und noch in „Ein Traum ein Leben“ finden sich, es sei nur die Verfolgung des Königs durch die Schlange erwähnt, auffallende Übereinstimmungen mit Mozarts Zauberoper.

Hofeinsicht

Die Legende will auch von Besuchen Mozarts wissen, die aber nicht historisch sein können, da Schikaneder erst lange nach des Komponisten Tod diesen Besitz erwarb. Aber daß Mozart in der Nähe wirklich viel an der „Zauberflöte“ gearbeitet hat, daß er den Zauber dieser Gegend in sich aufgenommen hat, gehört zu den Tatsachen. Auch Beethoven dürfte nicht selten an diesem Hause vorübergegangen sein, als er in Heiligenstadt lebte und litt. Ungemein reizvoll ist der Anblick der zur Donau gewandten Fassade - sie schimmert durch das graziöse Astgewirr einer riesigen Trauerweide, deren Blätter sich bis zu einem leise plätschernden Springbrunnen herabneigen. Ein paar Schritte nur von der Straße und man ist in eine fremde und andere Welt versetzt. Zwei Geschosse, architektonisch meisterhaft zusammengehalten, ragen in die Höhe, über den Fenstern dekoratives Muschelwerk, reich verzierte Gesimse — eine der repräsen repräsentativsten ­Barockfassaden, die Wien heute noch hat. Schikaneders Plan war, sich hier nach den Sorgen und Mühen einer aufregenden, aber ungemein erfolgreichen Theaterkarriere auszuruhen. Ihre ehrenvollen Licht- und Höhepunkte waren die erste Aufführung der „Zauberflöte“ und des „Fidelio". Er war also nicht nur ein guter Geschäftsmann. Daß er einer der raffiniertesten ­Kenner des Theaters und seiner Effekte war, ist ja bekannt. Ihm ist mindestens ­die Mitbegründung des großen Sensationsstückes ­zuzuschreiben, er war ein Meister der dekorativen Ausstattung. Von einem seiner Stücke, es hieß „Babylons Pyramiden“, wird folgendes berichtet: „In diesem Spektakelstück ging die Handlung zumeist in Pyramiden, Tempelräumen, Königsgrüften ­ und unterirdischen Gängen vor sich. Feierliche Aufzüge, Tierszenen mit Seeungeheuern, Schlangen, Tigern, Geister Geistererscheinungen ­und markerschütternde Blitzschläge ­in Bäume lösten einander ab. Die Schaulust auch eines verwöhnten Publikums ­konnte durch gewaltige Massenszenen ­befriedigt werden . ..“ Also ein Genie der Bühne und der Illusion. Man kann darum nicht erstaunt sein, daß er seinem Ruhesitz in Nußdorf den Stempel

In der Stiegenhalle

seiner Persönlichkeit aufgedrückt hat, daß er ihn gewissermaßen nach den Regeln einer wirkungsvollen Regie „in Szene gesetzt hat“. Der kleine viereckige Hof, zu dem eine breitgewölbte Einfahrt führt, macht den Eindruck eines Miniatur-Burghofs. An ihn grenzt ein Stiegenhaus, das einige kostbare Kleinodien barocker Architektur birgt: schöne schmiedeeiserne Gitter an den Stufen, von der Decke grüßt eine wahrscheinlich aus der Zeit Schikaneders stammende Fortuna. Die Wohnzimmer sind wunderbar proportionierte Räume, wie sie eben nur eine starke, formbewußte Zeit hervorbringt. Im Mittelsaal wieder eine malerische Erinnerung ­an das große Werk des einstigen Hausherrn: die Königin der Nacht auf Wolken dahinziehend, zu ihren Füßen der Mohr Monostatos und die drei Damen des Gefolges; eine eigene Hauskapelle ist von stärkster Stimmung erfüllt, sie enthält sehenswerte Stuckfiguren des heiligen Joseph und des heiligen Antonius von Padua. Kaum zu zählen sind die vielen kleinen und großen Gegenstände der Kunst und des Kunstgewerbes aus verschiedensten Zeiten. Hier eine entzückende goldene Sänfte, als wäre sie erst benützt worden, dort ein eigenartiger Holzluster, dessen grüngoldene Arme in geschnitzte Vögel enden, hier phantastische Stuckornamente an den Wänden und Decken, dort aparte Holzfiguren. Unvergeßlich ist der Blick von den breiten Fenstern und der Terrasse, der in die Ferne welligen Landes und weit über den silbernen Streifen der Donau reicht. Bewegt war auch das weitere Schicksal des Hauses. Schikaneder sollte hier nicht die erhoffte Ruhe finden, das Theater lockte und rief wieder, 1809 plündert hier ein

Im großen Salon

französisches Detachement, Schikaneder verliert sein Vermögen und 1812 stirbt er, nachdem er das Haus schon früher verkauft hatte. Seit damals wechselte es im Laufe des 19. Jahrhunderts öfters seinen Besitzer, bis es in den Siebzigerjahren Eigentum der Familie Bachofen von Echt wird. Dem Freiherrn von Bachofen ist es wohl zu danken, daß dieses Musterbeispiel der Baukunst des 18. Jahrhunderts (es dürfte 1736 vollendet worden sein) unverändert erhalten bleiben konnte. Er veranlaßte auch die Übertragung des im Hof eingemauerten Grabsteines, auf dem ein bärtiger Mann in voller Rüstung, einen Blumenstrauß in der Hand haltend, zu sehen ist. Die Inschrift lautet: „Anno 1597 ist den 4. Februar der ehrbar und wohlweise Thomas Bachofen, Bürgermeister der Stadt Gotha, in Got seliglich entschlafen, seines Alters 56 Iar und acht Monat dem Got gnade amen“. Bachofen legte noch eine schöne Sammlung von Erinnerungsgegenständen an den Dichter Adalbert Stifter an, der in diesem Hause einst zu Gast gewesen ist, als er die Gegend um Wien durchstreifte und Stoff für seine „Studien“ sammelte. Nun beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte des Schikaneder-Hauses...

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