Die Gothaer Familie Jacobs und ihr Wirken in Gotha: Unterschied zwischen den Versionen

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Die bedeutendste Persönlichkeit der Familie, wenn auch nicht mehr die bekannteste, ist der Altertumswissenschaftler Friedrich Jacobs. Die ehemalige Carolinenstraße unterhalb des Friedenstein trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof. Die schlichte Grabplatte, abgebildet Schneiders Gedenkbuch<ref>Gottlob Schneider, a. a. O., 2. Band, S. 69</ref>, soll, nach einer Mitteilung des Heimatforschers Richard Kirchner aus dem Jahre 1940, im damaligen „Gothaer Heimatmuseum“ untergebracht sein, war aber bisher nicht mehr auffindbar<ref>Brief von Richard Kirchner, Gotha, Brunnenstraße 32, v. 29.Nov. 1940 an den Gründer des Familienarchivs Carl Jacobs, damals in Bonn, Noeggerathstr. 30: „Der Familienstamm Jacobs ist für Gotha eine Berühmtheit. Ich habe mich bei allen Gelegenheiten mit den heimatgeschichtlichen und familiengeschichtlichen Überlieferungen des Stammes Jacobs beschäftigt. Meine Karteien enthalten sehr viele Karten mit dem Namen Jacobs. Über die Grabstätten habe ich die nachfolgenden Aufzeichnungen in meinen Friedhofsnachrichten niedergeschrieben.
 
Die bedeutendste Persönlichkeit der Familie, wenn auch nicht mehr die bekannteste, ist der Altertumswissenschaftler Friedrich Jacobs. Die ehemalige Carolinenstraße unterhalb des Friedenstein trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof. Die schlichte Grabplatte, abgebildet Schneiders Gedenkbuch<ref>Gottlob Schneider, a. a. O., 2. Band, S. 69</ref>, soll, nach einer Mitteilung des Heimatforschers Richard Kirchner aus dem Jahre 1940, im damaligen „Gothaer Heimatmuseum“ untergebracht sein, war aber bisher nicht mehr auffindbar<ref>Brief von Richard Kirchner, Gotha, Brunnenstraße 32, v. 29.Nov. 1940 an den Gründer des Familienarchivs Carl Jacobs, damals in Bonn, Noeggerathstr. 30: „Der Familienstamm Jacobs ist für Gotha eine Berühmtheit. Ich habe mich bei allen Gelegenheiten mit den heimatgeschichtlichen und familiengeschichtlichen Überlieferungen des Stammes Jacobs beschäftigt. Meine Karteien enthalten sehr viele Karten mit dem Namen Jacobs. Über die Grabstätten habe ich die nachfolgenden Aufzeichnungen in meinen Friedhofsnachrichten niedergeschrieben.
 
Friedhof I (im Jahre 1905 aufgehoben): Familiengrab mit Kapelle als Oberbau. Am 11.3.1903 wird vom Stadtrat bestimmt: die Kapelle soll entfernt werden. Die Särge sollen in der Gruft mit Erde bedeckt werden. Die Grabsteine sind zu entfernen. In der Gruft standen 9 Särge. Das große Denkmal ist jetzt im Herzogl. Museum in Gotha, ein Denkmal steht im Garten des Buchhhändlers Wilhelm Jacobs, Liebetraustr. 1 [Epitaph der Kanzlarin Maria Elisabetha Jacobs geb. Volck von 1721, seit 1995 im Kreuzgang  St. Augustin; der Verf.], ein anderes ist im Gothaer Heimatmuseum untergebracht.“</ref>.  Aufgrund einer Recherche im Internet konnte sie jetzt im Gothaer Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde wiederentdeckt werden<ref>Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Schloß Friedenstein, Inv.-Nr. 4206 P: Marmorplatte 58 x 72 cm (s. auch www.bildindex.de)</ref>.
 
Friedhof I (im Jahre 1905 aufgehoben): Familiengrab mit Kapelle als Oberbau. Am 11.3.1903 wird vom Stadtrat bestimmt: die Kapelle soll entfernt werden. Die Särge sollen in der Gruft mit Erde bedeckt werden. Die Grabsteine sind zu entfernen. In der Gruft standen 9 Särge. Das große Denkmal ist jetzt im Herzogl. Museum in Gotha, ein Denkmal steht im Garten des Buchhhändlers Wilhelm Jacobs, Liebetraustr. 1 [Epitaph der Kanzlarin Maria Elisabetha Jacobs geb. Volck von 1721, seit 1995 im Kreuzgang  St. Augustin; der Verf.], ein anderes ist im Gothaer Heimatmuseum untergebracht.“</ref>.  Aufgrund einer Recherche im Internet konnte sie jetzt im Gothaer Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde wiederentdeckt werden<ref>Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Schloß Friedenstein, Inv.-Nr. 4206 P: Marmorplatte 58 x 72 cm (s. auch www.bildindex.de)</ref>.
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Geboren ist Friedrich Christian Wilhelm Jacobs, so die Reihenfolge seiner Vornamen im Taufregister von St. Augustin, am 6. Okt. 1764 (er selbst hat eine andere Reihenfolge der Vornamen, nämlich Christian Friedrich Wilhelm benutzt, so wird er er auch in der Literatur meistens genannt); seine Eltern waren der damalige  Gothaer Hofadvocat  und spätere Bürgermeister von Gotha Wilhelm Heinrich Jacobs und seine 1. Frau Dorothea Magdalena Madelung, jüngste Tochter des Juristen und Gothaer Bürgermeisters Johann Wilhelm Madelung. Die Mutter starb bereits drei Jahre nach seiner Geburt und so wurde die 2. Frau seines Vaters, Maria Margaretha Schneegaß, Tochter des Hzgl. Steuerschreibers Michael Melchior Schneegaß zu Gotha, seine Stiefmutter. Sein Geburtshaus stand in der Kleinen Siebleber Gasse, der heutigen Lucas-Cranach-Straße, wo sein Vater, der Hofadvocat Jacobs wohnte, und wo auch sein ein Jahr älterer Bruder Christian Wilhelm Jacobs, 1763-1814, geboren wurde. Um welches Haus es sich handelte und ob es noch steht, ist mir nicht bekannt.
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Dieser Bruder Wilhelm Jacobs, von Hause aus Jurist und zuletzt Herzogl. Oberkonsistorialrat zu Gotha, veröffentlichte zusammen mit dem Geologen Carl Ernst Adolf von Hoff (1771-1837)  in den Jahren 1807-1812 als Ergebnis ihrer Forschungen das zweibändige Werk „Der Thüringer Wald, besonders für Reisende geschildert“, heute eine sehr seltene Trouvaille, erschienen in der Ettingerschen Buchhandlung, aber 1987 wieder neu aufgelegt<ref>K. E. A. von Hoff und C. W. Jacobs, Der Thüringer Wald – besonders für Reisende geschildert. Hg. u. bearb. von Thomas Martens und Wolfgang Zimmermann, Leipzig 1987</ref>. Von Hoff verdankte den sicheren Grund seiner Bildung seinem ausgezeichneten Hauslehrer Friedrich Jacobs. Ihm blieb er bis an sein Lebensende aufs engste verbunden.
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Zurück zu seinem Bruder Friedrich; nach dem Abitur auf dem Gothaer Gymnasium Illustre Ostern 1781, also mit 16 Jahren, studierte er zunächst Theologie in Jena, wandte sich aber bald den alten Sprachen und Altertumswissenschaften zu, die er ab 1784  in Göttingen studierte. Eigenartigerweise steht in der Abiturientenliste, in der auch die Berufsabsichten angegeben sind, nichts von Theologie; vielmehr heißt es dort: „Academiam Jenensem petet, Philos. et Philol. operam daturus.“ In Göttingen gab es damals das große Verlags-Haus des zuerst in Gotha tätigen Verlegers und Buchhändlers Johann Christian DIETERICH, dessen Schwester mit seinem Onkel, dem Tonnaer Amtsphysikus  Dr. med. Friedrich Heinrich Jacobs verheiratet war. Bekanntlich war Dieterich der Hausherr und Freund des Philosophen und Physikers Georg Christoph Lichtenberg. Dessen Bruder Ludwig Christian Lichtenberg war Geh. Legationsrat in Gotha und gab später die Werke seines Bruders mit heraus.
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Bereits 1785, mit 21 Jahren, wurde Jacobs selbst Professor für Griechisch, Lateinisch und Deutsch am Gothaer Gymnasium Illustre, an dem er 22 Jahre lang segensreich wirkte. Bereits 1802 war er mit einem jährlichen Gehalt von 400 Talern auch bei der Bibliothek angestellt; diese Anstellung hatte ihm Herzog Ernst II. bewilligt als Belohnung für die Ablehnung eines Rufs an die Universität Kiel.
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Im Jahr 1807 erhielt er einen Ruf nach München als Professor der klassischen Literatur am Lyzeum und als Mitglied in die Akademie der Wissenschaften einzutreten. Vermittelt wurde diese Berufung durch den befreundeten Theologen, ehemals Professor an der Universität Jena, Friedrich Immanuel v. Niethammer<ref>Die Briefe Niethammers an Friedrich Jacobs und seine Beziehung zu ihm, in: Gerhard Lindner, „Friedrich Immanuel Niethammer als Christ und Theologe“, Nürnberg 1971 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 1. Band)</ref>. Die Bedingungen waren so günstig, daß er eine gleich hohe Besoldung in Gotha nie erwarten konnte; auch für seine vier Söhne hoffte er in dem größeren Staate auf bessere Berufsaussichten. Nach langem Bedenken entschied er sich, dem Ruf zu folgen. Wäre er in München geblieben, so gäbe es heute wahrscheinlich dort und nicht in Gotha eine Friedrich-Jacobs-Straße. Aber die Animosität der einheimischen Gelehrten gegen die sogen. „Nordlichter“, das waren die unter dem bayrischen Minister Graf Montgelas berufenen Gelehrten aus dem meist evangelischen Norden Deutschlands<ref>Rudolf Burkhard, Die Berufungen nach Altbayern unter dem Ministerium Montgelas. Dissertation, Delitzsch 1927, bes. S. 96ff und 134ff</ref>, veranlaßte Jacobs schon drei Jahre später reumütig nach Gotha zurückzukehren. Er hat diese Auseinandersetzungen geschildert in seiner Autobiographie, den „Personalien“, unter dem Titel „Die Aretinischen Händel“; denn Hauptgegner war der Bibliotheksdirektor Johann Christoph Freiherr v. Aretin<ref>Friedrich Jacobs, a. a. O., S. 414-468</ref>.
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Von dem bayrischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., hatte er den Auftrag erhalten, ihm Vorlesungen über das griechische Altertum zu geben; diese Vorträge, nach dem Tode von Jacobs unter dem Titel „Hellas“ herausgegeben<ref>Friedrich Jacobs, Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst der Hellenen. Aus dem handschriftlichen Nachlaß des Verfassers herausgegeben von E.(rnst) F.(riedrich) Wüstemann, Berlin 1852; neu bearbeitet von Carl Curtius, Stuttgart 1897</ref>, haben, zusammen mit dem Einfluß des Philhellenen und Freundes Friedrich Thiersch, den Kronprinzen so geprägt, daß er später als König München zur Kunststadt gemacht und mit klassizistischen Bauten geprägt hat. Aufgrund dieses bis heute sichtbaren Einflusses müßte München eigentlich auch seine Friedrich-Jacobs-Straße haben. Obwohl Jacobs ab 1810 wieder in Gotha war, rissen die Beziehungen zu München nie ab; waren doch dort seine Freunde geblieben wie der Präsident der Münchner Akademie Friedrich Heinrich Jacobi, der Generalsekretär der Akademie Friedrich v. Schlichtegroll, einer der ältesten Freunde von Friedrich Jacobs und ehemals Direktor des Münzkabinetts und Bibliothekar zu Gotha, Friedrich Thiersch, der das Werk von Jacobs fortsetzte und als Praeceptor Bavariae gilt<ref>Burkhard, a. a. O., S. 98</ref>, der Zentralschulrat und Oberkirchenrat Friedrich Immanuel v. Niethammer, der ehem. Gothaer Bibliothekar Carl Julius Wilhelm Hamberger<ref>Hamberger, * Göttingen 1754, kam von der Gothaer Bibliothek 1808 nach München und fiel, nach kaum dreijähriger Tätigkeit als Hofbibliothekar, im Jahre 1811 in geistige Umnachtung, in der er im Irrenhaus Bayreuth schon 1813 starb. Erich Petzel, „Friedrich Jacobs über die Münchner Staatsbibliothek vor 100 Jahren“,  bringt dessen Brief an Hamberger, dat. München 20. Dec. 1807, in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung v. 31.12.1907, Nr. 225, S. 422-423</ref>, und der Philosoph Friedrich Wilhelm v. Schelling, der mit einer Gothaerin in 2. Ehe verheiratet war, nämlich mit Pauline Gotter, Tochter des Gothaer Theaterdichters und Goethe-Freundes Johann Friedrich Wilhelm Gotter und der Luise Stieler.
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Diese alle traf er 1818 in München wieder, als er seinen jüngsten Sohn Emil im Alter von 15 Jahren als Kunststudent in die Bayrische Akademie der Künste einführte, welcher dort seine  prägende Ausbildung zum Historienmaler erhielt.
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So nutzte er diese Münchner Beziehungen für die Ausbildung seiner Söhne<ref>Friedrich Jacobs, Personalien, a. a. O., S. 126f, 167f</ref>. Sohn Gustav war bereits 1807-1810 Zögling der bayrischen Kadettenanstalt und befreundete sich hier mit dem Dichter Graf August v. Platen; ihr Briefwechsel ist veröffentlicht, wobei nur die Briefe von Gustav Jacobs an Platen erhalten sind<ref>Der Briefwechsel des Grafen August von Platen, hg. von Ludwig von Scheffler u. Paul Bornstein, 2 Bde, München und Leipzig 1911/1914, Bd. 2, S. 63ff</ref>.
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Nach Gotha zurückgekehrt, wurde Friedrich Jacobs  von  Herzog  August  zum Oberbibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts ernannt; diesen Institutionen widmete er jetzt seine  ganze Arbeitskraft. Noch heute benutzt man in der Forschungsbibliothek die dickleibigen Kataloge, die er mit seiner zierlichen und akkuraten Gelehrtenschrift gefüllt hat. Schließlich wurde er Direktor der gesamten wissenschaftlichen und Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein. Viele gelehrte Gesellschaften im In- und Ausland, wie Paris, Rom, Neapel, Kopenhagen, St. Petersburg, um nur einige zu nennen, ernannten ihn zu ihrem Mitglied.
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Auf welche Weise fast alle Aufseher des Münzkabinetts auch verwandtschaftlich verbunden waren, möchte ich hier nicht weiter ausführen; im Anhang habe ich „Die Genealogische Verbindung der Aufseher des Herzogl. Münzkabinetts zu Gotha“ schematisch dargestellt. 
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Wie eng das Verhältnis des Herzogs zu seinem Oberbibliothekar war, möge die Geschichte eines Gemäldes illustrieren. Herzog August schenkte seinem gelehrten Freund und Helfer Friedrich Jacobs sein von Joseph Grassi  1813 in romantischer Pose gemaltes Portrait, welches heute im Besitz des Schlossmuseums ist. Es ist mehrfach als Kupferstich vervielfältigt worden und trägt auf der Rückseite ein auf den Beschenkten gemünztes und mit großem herzoglichen Siegel beglaubigtes Distichon:
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''WAS ICH DEN MUSEN VERTRAU, WAS SIE MIR LIEBLICH ERWIDERN, / FREUND, ES VERHALLET ZU LEICHT, FASST ES DEIN GRIFFEL NICHT AUF. AO. 1813 AUGUST H. Z. S. G. UND A.''
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Dieser Vers gibt über die Umstände Auskunft, aus denen heraus die Schenkung des Bildes erfolgt ist. Friedrich Jacobs war des Herzogs Lehrer gewesen und hat ihm, bis auf die drei Jahre seines Münchner Aufenthaltes, während dessen ganzer Regierung treu und doch selbständig gedient. Der Herzog aber war ihm mit einer fast schwärmerisch maßlosen Verehrung zugetan. Oft mußte Jacobs seinen Unterricht am Gymnasium unterbrechen, weil der Herzog nach ihm verlangte, manchmal sogar des nachts. Seit 1811 waren zwei Tage in der Woche bestimmt, an denen der Herzog mehrere Stunden lang seine immer weiter ausgesponnenen romantischen Dichtungen Friedrich Jacobs in die Feder diktierte, den er erst Ende 1810 aus München in seine Dienste zurückberufen hatte. Die Gothaer Bibliothek besitzt eine Reihe dicker Bände dieser Handschriften. Der Dank des Fürsten für dessen ausdauernde Mitarbeit brachte dem Schreiber Grassis Gemälde als Geschenk<ref>Nach R. Ehwald, Herzog August von S.-Gotha-Altenburg und Friedrich Jacobs, in: Thüringer Kalender 1909, hg. v. Thür. Museum Eisenach, Redaction Cons. Prof. Dr. G. Voss, o. S., mit zwei Abb.</ref>.
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Noch als Gymnasialprofessor hat Jacobs 1792 in Denstedt bei Weimar (warum ausgerechnet in diesem kleinen Dorf, konnte ich nicht herausfinden) die Tochter des Weimarer Oberkonsistorialrats und Prinzenerziehers Johann Wilhelm SEIDLER, Johanna Christiana, geheiratet. Seidler war als „meuble très utile“<ref>Fritz Meyen, Über die Anfänge der Bibliothek des Collegium Carolinum zu Braunschweig und ihren ersten Bibliothekar Johann Wilhelm Seidler, in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 54, 1973, S. 200-209, hier: S. 206</ref> vom Vater der Herzoginwitwe Anna Amalia als Hofmeister der beiden Prinzen Carl August und Constantin empfohlen worden und auf diese Weise von Braunschweig an den Weimarer Hof gekommen.
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Eine Nichte von Friedrich Jacobs war die Goethe-Malerin Louise Seidler, die von 1800 - 1803 das sogen. „Pensionat der Doctorin Stieler“ in Gotha besuchte<ref>„Goethes Malerin. Die Erinnerungen der Louise Seidler“. Hg. von Sylke Kaufmann, Berlin 2003, S. 17. Bei der „Doctorin Stieler“  handelt es sich nicht um die Ehefrau des berühmten Kartographen Adolph  Stieler, Friederike geb. Madelung, wie fälschlicherweise in den „Erinnerungen“ und in der einschlägigen Literatur behauptet wird. Auf eine Anfrage hin der Seidler-Forscherin Bärbel Kovalevski konnte ich feststellen, daß es sich bei der Doctorin Stieler um die Schwägerin des Kartographen handelt, nämlich um Sophie Ludolfine geb. Burckhardt; diese  hatte bereits vor ihrer Heirat, um 1796 in Gotha eine „Weibliche Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“ inne (s. Albert Klebe, Gotha und die umliegende Gegend, Gotha 1796, S. 127f). Aufgrund ihrer Heírat mit dem Gothaer Hofmedicus Dr. med. Ernst Wilhelm Hermann Stieler wurde sie zur  „Doctorin Stieler“; sie leitete die von ihrem Schwiegervater, dem Gothaer Hofrat und Bürgermeister Caspar Hermann Nicolaus Stieler, gegründete „Höhere Töchterschule“ oder auch „Stielersche Anstalt“ genannt. (Vgl. Archiv für Sippenforschung 1975, S. 2f)</ref>.
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Louise Seidler, 1786-1866, hatte eine gute Beziehung zu ihrem Onkel Jacobs in Gotha und zu dessen Sohn, dem Maler Emil Jacobs, ihrem Cousin. Sie hat ihren Onkel natürlich auch gemalt. Bei den Nachkommen seiner einzigen Tochter Marie Gabriele in England konnte ich jetzt zwei bisher unbekannte Ölportraits von Friedrich Jacobs und seiner 1. Frau Christiane Seidler entdecken, welche die  Seidler-Forscherin Bärbel Kovalevski seiner Nichte Louise Seidler zuschreibt.
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Auch zum Theater gab es eine Beziehung: Conrad EKHOF, Vater der deutschen Schauspielkunst, wirkte seit 1774 in Gotha. Unter seiner Mitwirkung wurde das erste stehende Hoftheater gegründet, dem er mit dem Kriegsrat und Schriftsteller Heinrich August Ottocar REICHARD vorstand<ref>Hermann  Uhde, hg., H. A. O. Reichard. (1751-1828.) Seine Selbstbiographie, Stuttgart 1877, bes. S. 384f - siehe dazu meinen weiteren Vortrag  2008: "REICHARDS berühmte Verwandtschaft"</ref>. Reichard war mit Amalie Seidler verheiratet, einer Schwester der Ehefrau von Friedrich Jacobs, war also dessen Schwager. Seine Tochter Charlotte Reichard (1788-1873) heiratete den Gothaischen Kammerrat Carl Emil Constantin v. GÖCHHAUSEN (1778-1855); dieser war der Sohn eines Vetters der Goethe-Freundin Luise v. Göchhausen (1752-1807), der Gesellschafterin der Weimarer Herzogin Anna Amalia, die bekanntlich eine Nichte des preußischen Königs Friedrich des  Großen war.
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Mit dieser Nichte Charlotte v. Göchhausen und deren Mann unternahm Friedrich Jacobs, nach dem 1812 erfolgten Tode seiner 1. Frau, im Jahre 1814 eine Reise nach Carlsbad, um seine, wie er es nannte, „zunehmende Harthörigkeit“ zu bekämpfen, leider ohne Erfolg. Die Taubheit nahm im fortschreitenden Alter zu, und muß  erblich gewesen sein, denn auch von seinem Urgroßvater, dem Vizekanzler Johann Jacobs, wird berichtet, daß er im Alter fast gänzlich taub gewesen sei. Im hohen Alter muß Friedrich Jacobs wohl  einen Schlaganfall erlitten haben, denn 1843, vier Jahre vor seinem Tode,  heißt es  in einem Brief des Sohnes Emil an seinen ehemaligen Lehrer Robert v. Langer in München: “Mein Vater, der sich Ihnen bestens empfiehlt, wohnt für einige Zeit bei mir, da meine Schwester verreist ist, er ist alt geworden und leider ein Arm und Bein gelähmt, so daß er nur mit großer Mühe schreiben kann.“
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Eine andere Tochter des Weimarer Prinzenerziehers, Caroline Seidler, eine Freundin der Charlotte v. Stein, war in 2. Ehe  mit dem bedeutenden Gothaer Verleger und Buchhändler Carl Wilhelm ETTINGER verheiratet. Ettinger, dessen Geburtsdatum  immer noch falsch angegeben  wird, war ebenfalls ein Schwager von Friedrich Jacobs<ref>Ettinger wurde am 5.6.1741 zu Eisenach als Sohn des angeblich aus Basel stammenden Korporals der Fürstl. Guarde zu Fuß und späteren Stadtlieutenants Johann Daniel Ettinger und der Anna Clara Schröder geboren und am 7.6.1741 ebd. getauft; das Taschenlexikon „Gothaer Persönlichkeiten“ hg. von Helmut Roob und Günter Scheffler, Arnstadt u. Weimar 2000, bringt das falsche Geburtsjahr 1738; im Bürgerbuch Eisenachs Bd. 3, Bl. 138 werden 1761 sechs  Kinder des Ehepaars aufgeführt, darunter an 2. und 3. Stelle ein Carl Wilhelm sen. und Carl Wilhelm jun., letzterer ist 1772 aber ebd. als Stadtwachtmeister aufgeführt.</ref>.
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Nicht versäumen möchte ich, an dieser Stelle etwas zum diesjährigen Schiller-Jahr

Version vom 9. Juli 2019, 11:06 Uhr

Die Gothaer Familie Jacobs und ihr Wirken in Gotha

Pastor Rudolf W. L. Jacobs, Unna Vortrag am 15. Okt. 2005 im Ost-Vorsaal von Schloss Friedenstein zu Gotha

Wie kommt ein Pastor aus dem Rheinland, jetzt in Westfalen im Hause seiner großmütterlichen Urgroßeltern wohnend, also, wie komme ich dazu, Ihnen heute etwas über die Gothaer Familie Jacobs und ihr Wirken in Gotha erzählen zu wollen? Zum Einen deswegen, weil der Vorstand des Freundeskreises Schlossmuseum Gotha mich darum gebeten und eingeladen hat. Vielen Dank dafür! Zum Andern aber deswegen, weil meine Eltern, mein Vater Carl Jacobs, geboren 1904 in Friedrichroda und meine Mutter Käthe Jacobs geborene Riemschneider, geboren 1908 in Pössneck, ihre vier Söhne immer mit ihrer Heimat, mit Thüringen und Gotha bekannt gemacht haben, obwohl sie seit den 30er Jahren im Rheinland lebten. Auch in der schwierigen DDR-Zeit ist die Verbindung immer aufrecht erhalten worden. Bin ich vom Geburtsort Bonn her ein Rheinländer, so bin ich doch vom Herkommen ein Thüringer, nach dem spaßigen Satz: Wenn eine Katze im Fischladen Junge bekommt, sind das ja auch keine Fische sondern bleiben Katzen . . . Meine Eltern waren Thüringer, und daher fühle ich mich also auch als Thüringer bzw. Gothaer und könnte analog dem Wort des U. S.-Präsidenten John F. Kennedy „Ich bin ein Berliner“ sagen: „Ich bin ein Gothaer“. Es ist m. E. ein historischer Augenblick, daß ich hier in Gotha auf Schloss Friedenstein über die Gothaer Familie Jacobs sprechen darf; insbesondere weil dies der Ort ist, wo viele Angehörige meiner Familie gewirkt haben, ist es für mich besonders bewegend. Denn wer hätte vor 15 Jahren gedacht, das dies einmal möglich sein würde!

Mein Vater, der unser Familienarchiv begründete, hatte keine Gelegenheit ausgelassen, mich an die Geschichte unserer Familie heranzuführen, d. h. vor allem an die Geschichte der Familie in Gotha, obwohl meine direkten Vorfahren in anderen Gothaischen Amtsorten, wie Gräfentonna, Tenneberg und Reinhardsbrunn, Zella St. Blasii, Ichtershausen und Ohrdruf als herzogliche Beamte tätig waren.

Ich möchte zunächst einen Überblick über die Stammfolge der Familie Jacobs geben.

Dann möchte ich etwas sagen über verwandte Gothaer Familien und Töchter-Nachkommen.

Abschließend komme ich dann zu den für Gotha bedeutendsten Gliedern der Familie, wie dem Altertumswissenschaftler Friedrich Jacobs, seinem Bruder, dem Amateur-Geologen Wilhelm Jacobs, und dem jüngsten Sohn von Friedrich Jacobs, dem Maler Emil Jacobs.

Zunächst also ein Überblick über die Stammfolge der Familie, die in einer am Schluss beigegebenen abgekürzten Übersicht verfolgt werden kann. Wer sich genauer über die Gesamtfamilie und einzelne Familienglieder orientieren will, kann das jetzt tun in der von mir publizierten Familien-Geschichte, illustriert durch eine Reihe von Bildern aus dem Familienarchiv[1].

Der Gothaer Stammvater aller Thüringer Namensträger ist Johann JACOBS; er war kein Thüringer sondern stammte aus Schleswig-Holstein; daher auch die Namensform mit dem „S“ am Schluß und nicht wie in Thüringen üblich: „Jacob“, also ohne „S“. Er wurde 1648, im Friedensschlußjahr des 30jährigen Krieges, in der alten Hansestadt Flensburg geboren. Sein Vater Hinrich Jacobs war Bürgermeister vom Kirchspiel St. Nicolai in Flensburg, seine Vorfahren Flensburger Patrizier und Königl. Dänische Kaufleute, denn bis zum deutsch-dänischen Krieg 1864 gehörte Flensburg zum Königreich Dänemark. Wie kommt nun ein Flensburger nach Thüringen und nach Gotha? Sein Vater wollte, daß sein Sohn Jurist werde; denn er selbst hatte oft hinter seinem juristischen Kollegen im Bürgermeisteramt zurückstehen müssen. Das sollte seinen Söhnen nicht passieren; er schickte sie auf die damals gerade neu gegründete Universität Kiel, dann nach Helmstedt und zum Schluß nach Jena, wo Johann zum Dr. juris utriusque, des bürgerlichen und des Kirchenrechts, promovierte.

In Jena hielt er zunächst private juristische Vorlesungen, präsidierte bei verschiedenen Promotionen seiner Studenten und heiratete dort seine Frau, Maria Elisabetha VOLCK. Sie war in Gotha geboren als Tochter des Hof- und Landmedicus Dr. phil. et med. Johann Volck; sie lebte aber in Jena, weil ihre Mutter in 2. Ehe den Jenaer Theologie-Professor Christian CHEMNITIUS geheiratet hatte.

Diese Schwiegermutter von Johann Jacobs, Maria Chemnitius verw. Volck geb. GERHARD, war eine Tochter des damals berühmtesten Theologen der evangelisch-lutherischen Kirche Johann GERHARD. Vielleicht hat sie die Verbindung nach Gotha geknüpft, denn Herzog Friedrich I. entdeckte den juristischen Gelehrten und bot ihm an, in die Gothaer Regierung einzutreten oder eine Amtmann-Stelle zu übernehmen. Johann Jacobs entschied sich für die Gothaer Regierung und zog 1680 mit seiner Familie von Jena nach Gotha.

Das Haus, in dem er und und auch die Familie seines Sohnes, des späteren Hofmedicus und Bürgermeisters von Gotha wohnte, ist das bekannte Renaissance-Haus am Hauptmarkt, Zur Goldenen Schelle, das wohl auch solange im Besitz der Familie geblieben ist. In den jetzt publizierten Tagebüchern von Herzog Friedrich I., verfasst 1667-1686, erscheint Jacobs als wichtiger Berater und Begleiter des Herzogs in den Jahren 1684-1686[2].

Eine kleine Begebenheit möge illustrieren, wozu alles ein Hofrat dienlich sein mußte. Im Reise-Bericht des Kammerdieners Johann Christoph Emmerling aus dem Jahre 1688 wird ein westfälisches Reiseabenteuer des Herzogs bei seiner Rückkehr aus den Niederlanden wiedergegeben. Die herzogliche Reisegesellschaft erreichte von Büren herkommend erst gegen 9 Uhr abends das Dorf Meerhoff, wo es „nur sauer Bier und viele Flöhe“ gab. Um sich die Zeit bis zum Nachtmahl zu vertreiben, zeichnete der Herzog „auf ein grün Tuch ein Bretspiel“ und ließ „solches von Herrn Hoffrath Jacobs mit Kreyde litiren und verfertigen, auch nachgehend vermöge Apffelschnizen statt der Brettsteine, mit Ihme das Verkehren(?) drauff spielten; so wunderlich es erst aussahe, so artig gieng es doch an, und kunte dieser vergnügsame liebe Fürst doch wenigstens die Zeit so lange mit was vertreiben, bis die interim zurecht gemachte WaßerSuppe und auf dem Rost gebratene alte Schinckenschnitte zur Mahlzeit aufgetragen wurden[3].“ Der Hofrat Jacobs machte dann schnell Karriere am Gothaer Hof; er wurde Mitglied des Regierungskollegiums, seit 1692 führte er auch die Regierungsgeschäfte des Herzogtums Sachsen-Römhild von Gotha aus; 1691, nach dem Tode des Herzogs Friedrich I., hatte er als dänisch sprechender Diplomat den Elephanten-Orden nach Kopenhagen zurückzubringen und wieder für den neuen Herzog entgegen zu nehmen; die dabei gehaltenen Reden sind als Paradebeispiele damals veröffentlicht worden[4]. Man hätte ihn gerne am dänischen Hofe behalten und bot ihm dazu noch die Erhebung in den Adelsstand an. Sein Urenkel Friedrich Jacobs referiert die Meinung dieses seines Urgroßvaters hierzu: “Er wolle lieber, meinte er, auf der geringern Stufe in Ehren, als auf der höhern bei beiden Ständen in Geringschätzung stehn. Um unter dem Adel geachtet zu seyn, sey es nicht genug, bürgerliche Verdienste zu haben; der Stand müsse durch hinreichende Mittel aufrecht erhalten werden. Ohne diese sinke eine Familie, eine zahlreiche vornemlich, schnell herab, und sey dann übler daran als die bürgerliche, welcher weit mehr Wege zum Fortkommen offenständen. . . . Das Beispiel dieses verständigen Mannes stand mir vor Augen, als mir der bairische Verdienstorden das Recht gab, meinem Namen ein „von“ vorzusetzen. Ich habe nie davon Gebrauch gemacht, und ich hoffe, daß meine Kinder und Enkel mir diese leichte Enthaltung ebenso danken werden, als ich meinem Urgroßvater die seinige danke[5].“

Im Jahre 1700 wurde Johann Jacobs zum Vizepräsidenten des Oberkonsistoriums ernannt, 1712 zum Wirklich Geheimen Regierungs-Rat mit dem Ehrenprädikat „Exzellenz“; von 1717-1727 war der Exzellenz Jacobs, als Vizekanzler des Justizkollegiums, die Direktion der Regierung übertragen worden; damit stand er im 80. Lebensjahr und schied wegen seiner zunehmenden Taubheit aus dem Dienst; er lebte noch 5 Jahre im Ruhestand und starb, im selben Jahr wie sein Herzog Friedrich II., im Jahre 1732. Er wurde beigesetzt im Mausoleum der Familie, einer spätbarocken Grabkapelle auf dem Alten Friedhof I. In dieses Mausoleum wurden bis 1860 Angehörige der Familie „eingesenket“, wie es im Kirchenbuch heißt. Das Interieur des Mausoleums ist gerettet worden durch den Gothaer Geh. Justizrat Carl Jacobs, als 1903 auf Beschluß des Stadtrats von Gotha der Friedhof eingeebnet wurde, um an der Stelle ein Stadtbad zu bauen. Dieses einzig erhaltene Beispiel spätbarocker Gothaer Sepulkralkultur vom Alten Gothaer Friedhof steht heute ziemlich verwahrlost und der Öffentlichkeit leider nicht zugänglich, im Keller des Museums der Natur und wartet auf seine Restaurierung und Wiederaufstellung. Verschiedene Anträge an die Gothaer Kulturstiftung auf Förderung brachten bisher leider kein Ergebnis. Aber die Familie gibt nicht auf und hofft, daß die Gothaer wenigstens diesen letzten Rest des Alten Friedhofs nicht verkommen lassen[6]. Die beiden barocken Marmorbüsten von Johann Jacobs und seiner Frau aus dem Mausoleum wurden 2002 zur Emil-Jacobs-Jubiläums-Ausstellung in Gotha restauriert und stehen -bis zur Wiederaufstellung des Epitaphs- in der ständigen Ausstellung des Jacobs-Kabinetts im Schlossmuseum. Die Grabplatte, die Johann Jacobs seiner bereits 1720 verstorbenen Frau Maria Elisabetha Volck im Jahre 1721 gesetzt hat und welche ursprünglich auch im Mausoleum stand, dann aber wegen ihrer Schmucklosigkeit im Museum damals keine Aufnahme fand, steht heute im Kreuzgang von St. Augustin, von der Familie auf eigene Kosten überführt und selbst restauriert. Über die Irrfahrt dieses türgroßen Epitaphs habe ich eine Dokumentation angefertigt und der Forschungsbibliothek Gotha ein Exemplar zur Verfügung gestellt[7].

Durch seine Frau Maria Elisabetha Volck wurde der zugereiste Schleswig-Holsteiner verwandt mit bedeutenden Familien Gothas. Vor allem ist da zu nennen die aus Köln eingewanderte Familie Bachoff von Echt, auch Bachofen von Echt; die Frau des Vizekanzlers Jacobs war eine rechte Cousine des Gothaer Ministers Johann Friedrich BACHOFF Reichsfreiherr v. Echt. Die 2. Frau des Gothaer Schulmanns Andreas REYHER, Anna Blandina Bachoff von Echt (1636-1670), war ihre Cousine.

Auch der bedeutende Gothaer Münzmeister und Medailleur Wendelin Elias FREUND aus Tennstedt war durch seine Frau Anna Maria Volck ein angeheirateter Onkel. Die einzige Tochter des Vizekanzlers, Susanna Maria Jacobs, heiratete ebenfalls in die Familie Bachofen von Echt ein, nämlich den Arzt und Gothaer Bürgermeister Georg Heinrich Bachofen v. Echt, dessen Name auf dem Schellenbrunnen am Hauptmarkt verewigt ist; dieser war auch ein Bruder des Reichsfreiherrn. Eine Tochter aus dieser Ehe wurde die Frau des Gothaer Kirchenrats Ernst Salomon CYPRIAN.

Auch der Tonnaer Amtmann Johann Gottlieb Jacobs, der zweite Sohn des Vicekanzlers, hatte ebenfalls eine Bachoff zur Frau; sie war eine Nichte des Gothaer Ministers, des Reichsfreiherrn Johann Friedrich Bachoff v. Echt und des Gothaer Bürgermeisters und Arztes Dr. med. Georg Heinrich Bachoff. Ihre Mutter war eine geborene Heydenreich, eine Nachkommin von Lucas Cranach des Ä. vierter Tochter Maria. So gehören seine Nachkommen zu den sogen. Cranachiden, zu denen auch ich mich zählen darf.

Der älteste Sohn des Vizekanzlers, Mag. Friedrich Heinrich Jacobs, begründete die erste Linie der Familie, Tonna-Heldrungen, benannt nach den Hauptwohnorten; er war zunächst Pfarrer in Molschleben, dann Superintendent von Tonna; seine Frau war eine geborene TENTZEL aus Erfurt. Der bekannte Historiograph und Numismatiker Ernst Wilhelm Tentzel, der eine Zeitlang in Gotha wirkte, war ein Vetter ihres Vaters. Ihre 14 Kinder erreichten sämtlich das Erwachsenenalter, was für die damalige Zeit eine Seltenheit war, aber nur einer von 5 Brüdern, der Pfarrer Carl August Jacobs, Pastor von Kranichborn, dann in Schönstedt b. Langensalza, setzte diesen Zweig fort. Nachkommen leben bis heute in Bayern und in den U. S. A.

Der zweite Sohn des Vizekanzlers, der Tonnaer Amtmann Johann Gottlieb Jacobs, den ich bei der Familie Bachofen von Echt bereits erwähnte, begründete die zweite Linie Tonna-Zella, ebenfalls benannt nach den Hauptwohnorten. Eine Nachkommin, die in Coburg geborene Tochter eines Saalfelder Amtmanns, Fanny Jacobs, war mit dem Erfinder der Schnelldruckpresse Friedrich Koenig verheiratet. Die Firma Koenig & Bauer existiert noch heute in Würzburg und zählt zu den bedeutendsten Druckmaschinenherstellern weltweit. Ein heute lebender Nachkomme ist der Bildhauer Prof. Fritz Koenig, dem ein eigenes Skulpturen-Museum in Landshut gewidmet ist; seine Halb-Schwester Ursula Koenig ist die Gattin des 13. Fürsten Esterházy in Eisenstadt /Österreich. So Gott will, wird dessen Sohn, der 14. Fürst Esterházy, auch ein Cranach- und Jacobs-Nachkomme sein. Der dritte Sohn des Vizekanzlers, Dr. med. Friedrich Wilhelm Jacobs, war Hofmedicus und langjähriger Bürgermeister von Gotha; er begründete die zahlenmäßig kleinste und III. Linie der Familie, genannt Gotha. Seine zweite Ehe schloss der Hofmedicus mit Susanna Sophia GOTTER, Tochter des Gothaer Kirchenlieddichters Ludwig Andreas Gotter, und Cousine des Grafen Gustaf Adolf v. Gotter auf Schloss Molsdorf bei Erfurt, des berühmten Diplomaten von König Friedrich dem Großen von Preußen. Aus seiner 3. Ehe mit der Witwe des Gothaer Historiographen und Numismatikers Christian Siegmund LIEBE, Herausgeber des numismatischen Prachtwerks Gotha Numaria 1730, hatte er einen Sohn Wilhelm Heinrich Jacobs. Dieser wurde, wie sein Großvater der Vizekanzler, Jurist und war eine Zeitlang auch Bürgermeister von Gotha, dann Amtmann zu Georgenthal; verheiratet war er mit einer Bürgermeisterstochter aus der Gothaer Familie Madelung; diese wurde die Mutter des Altertumswissenschaftlers Friedrich Jacobs. In dritter Ehe heiratete Wilhelm Heinrich Jacobs die Schwester des Gothaer Publizisten und Napoleon-Gegners Rudolf Zacharias BECKER, die damit zur Stiefmutter von Friedrich Jacobs wurde. Für Rudolf Zacharias Becker, der von den Franzosen verhaftet worden war, also für seinen Stiefonkel, setzte sich Friedrich Jacobs ein, indem er eine an die österreichische Kaiserin Maria Ludovika gerichtete Bittschrift der Caroline Becker an Goethe schickte in der Überzeugung, daß Goethe dem Gnadengesuch bei der Kaiserin Gewicht verleihen könne[8].

Zu den Gothaer Familien, in die Jacobs-Töchter einheirateten, zählt neben der schon genannten Familie BACHOFEN VON ECHT, die Buchhändler-Familie THIENEMANN; der Gründer des Stuttgarter Karl-Thienemann-Verlags war ein Jacobs-Nachkomme wie auch sein Bruder, der Gothaer Hofrat Johann Friedrich Wilhelm Thienemann, der zu den Sieben Weisen Alt-Gothas zählt, die Emil Jacobs in einem Gruppenbild verewigt hat[9]. Eine Tochter des Tonnaer Superintendenten heiratete in die bekannte Erfurter Apothekerfamilie TROMMSDORFF ein. Eine Nachkommin des Tonnaer Amtmanns, Constanze Jacobs, heiratete den Coburger Herzogl. Leibarzt Dr. med. Andreas Carl FLORSCHÜTZ. Dessen Vetter, der Herzogl. Rat Johann Christoph Florschütz, war der langjährige Hofmeister und Erzieher der beiden Gothaer Prinzen Ernst und Albert, des späteren Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und des späteren Prinzgemahls Albert der Königin Victoria von Großbritannien; seine Frau Therese, eine Tochter des Coburger Generalsuperintendenten Dr. D. Wilhelm Genssler, war zudem eine Nachkommin der mit den Jacobs verschwägerten Weimarer Familie SEIDLER.

Die bedeutendste Persönlichkeit der Familie, wenn auch nicht mehr die bekannteste, ist der Altertumswissenschaftler Friedrich Jacobs. Die ehemalige Carolinenstraße unterhalb des Friedenstein trägt seinen Namen: Friedrich-Jacobs-Straße. Dort stand sein Wohn- und Sterbehaus, das leider im 2. Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Auch seine Grabstätte existiert nicht mehr; sie befand sich in dem Jacobs-Mausoleum auf dem zerstörten Alten Friedhof. Die schlichte Grabplatte, abgebildet Schneiders Gedenkbuch[10], soll, nach einer Mitteilung des Heimatforschers Richard Kirchner aus dem Jahre 1940, im damaligen „Gothaer Heimatmuseum“ untergebracht sein, war aber bisher nicht mehr auffindbar[11]. Aufgrund einer Recherche im Internet konnte sie jetzt im Gothaer Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde wiederentdeckt werden[12].

Geboren ist Friedrich Christian Wilhelm Jacobs, so die Reihenfolge seiner Vornamen im Taufregister von St. Augustin, am 6. Okt. 1764 (er selbst hat eine andere Reihenfolge der Vornamen, nämlich Christian Friedrich Wilhelm benutzt, so wird er er auch in der Literatur meistens genannt); seine Eltern waren der damalige Gothaer Hofadvocat und spätere Bürgermeister von Gotha Wilhelm Heinrich Jacobs und seine 1. Frau Dorothea Magdalena Madelung, jüngste Tochter des Juristen und Gothaer Bürgermeisters Johann Wilhelm Madelung. Die Mutter starb bereits drei Jahre nach seiner Geburt und so wurde die 2. Frau seines Vaters, Maria Margaretha Schneegaß, Tochter des Hzgl. Steuerschreibers Michael Melchior Schneegaß zu Gotha, seine Stiefmutter. Sein Geburtshaus stand in der Kleinen Siebleber Gasse, der heutigen Lucas-Cranach-Straße, wo sein Vater, der Hofadvocat Jacobs wohnte, und wo auch sein ein Jahr älterer Bruder Christian Wilhelm Jacobs, 1763-1814, geboren wurde. Um welches Haus es sich handelte und ob es noch steht, ist mir nicht bekannt. Dieser Bruder Wilhelm Jacobs, von Hause aus Jurist und zuletzt Herzogl. Oberkonsistorialrat zu Gotha, veröffentlichte zusammen mit dem Geologen Carl Ernst Adolf von Hoff (1771-1837) in den Jahren 1807-1812 als Ergebnis ihrer Forschungen das zweibändige Werk „Der Thüringer Wald, besonders für Reisende geschildert“, heute eine sehr seltene Trouvaille, erschienen in der Ettingerschen Buchhandlung, aber 1987 wieder neu aufgelegt[13]. Von Hoff verdankte den sicheren Grund seiner Bildung seinem ausgezeichneten Hauslehrer Friedrich Jacobs. Ihm blieb er bis an sein Lebensende aufs engste verbunden.

Zurück zu seinem Bruder Friedrich; nach dem Abitur auf dem Gothaer Gymnasium Illustre Ostern 1781, also mit 16 Jahren, studierte er zunächst Theologie in Jena, wandte sich aber bald den alten Sprachen und Altertumswissenschaften zu, die er ab 1784 in Göttingen studierte. Eigenartigerweise steht in der Abiturientenliste, in der auch die Berufsabsichten angegeben sind, nichts von Theologie; vielmehr heißt es dort: „Academiam Jenensem petet, Philos. et Philol. operam daturus.“ In Göttingen gab es damals das große Verlags-Haus des zuerst in Gotha tätigen Verlegers und Buchhändlers Johann Christian DIETERICH, dessen Schwester mit seinem Onkel, dem Tonnaer Amtsphysikus Dr. med. Friedrich Heinrich Jacobs verheiratet war. Bekanntlich war Dieterich der Hausherr und Freund des Philosophen und Physikers Georg Christoph Lichtenberg. Dessen Bruder Ludwig Christian Lichtenberg war Geh. Legationsrat in Gotha und gab später die Werke seines Bruders mit heraus. Bereits 1785, mit 21 Jahren, wurde Jacobs selbst Professor für Griechisch, Lateinisch und Deutsch am Gothaer Gymnasium Illustre, an dem er 22 Jahre lang segensreich wirkte. Bereits 1802 war er mit einem jährlichen Gehalt von 400 Talern auch bei der Bibliothek angestellt; diese Anstellung hatte ihm Herzog Ernst II. bewilligt als Belohnung für die Ablehnung eines Rufs an die Universität Kiel. Im Jahr 1807 erhielt er einen Ruf nach München als Professor der klassischen Literatur am Lyzeum und als Mitglied in die Akademie der Wissenschaften einzutreten. Vermittelt wurde diese Berufung durch den befreundeten Theologen, ehemals Professor an der Universität Jena, Friedrich Immanuel v. Niethammer[14]. Die Bedingungen waren so günstig, daß er eine gleich hohe Besoldung in Gotha nie erwarten konnte; auch für seine vier Söhne hoffte er in dem größeren Staate auf bessere Berufsaussichten. Nach langem Bedenken entschied er sich, dem Ruf zu folgen. Wäre er in München geblieben, so gäbe es heute wahrscheinlich dort und nicht in Gotha eine Friedrich-Jacobs-Straße. Aber die Animosität der einheimischen Gelehrten gegen die sogen. „Nordlichter“, das waren die unter dem bayrischen Minister Graf Montgelas berufenen Gelehrten aus dem meist evangelischen Norden Deutschlands[15], veranlaßte Jacobs schon drei Jahre später reumütig nach Gotha zurückzukehren. Er hat diese Auseinandersetzungen geschildert in seiner Autobiographie, den „Personalien“, unter dem Titel „Die Aretinischen Händel“; denn Hauptgegner war der Bibliotheksdirektor Johann Christoph Freiherr v. Aretin[16]. Von dem bayrischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., hatte er den Auftrag erhalten, ihm Vorlesungen über das griechische Altertum zu geben; diese Vorträge, nach dem Tode von Jacobs unter dem Titel „Hellas“ herausgegeben[17], haben, zusammen mit dem Einfluß des Philhellenen und Freundes Friedrich Thiersch, den Kronprinzen so geprägt, daß er später als König München zur Kunststadt gemacht und mit klassizistischen Bauten geprägt hat. Aufgrund dieses bis heute sichtbaren Einflusses müßte München eigentlich auch seine Friedrich-Jacobs-Straße haben. Obwohl Jacobs ab 1810 wieder in Gotha war, rissen die Beziehungen zu München nie ab; waren doch dort seine Freunde geblieben wie der Präsident der Münchner Akademie Friedrich Heinrich Jacobi, der Generalsekretär der Akademie Friedrich v. Schlichtegroll, einer der ältesten Freunde von Friedrich Jacobs und ehemals Direktor des Münzkabinetts und Bibliothekar zu Gotha, Friedrich Thiersch, der das Werk von Jacobs fortsetzte und als Praeceptor Bavariae gilt[18], der Zentralschulrat und Oberkirchenrat Friedrich Immanuel v. Niethammer, der ehem. Gothaer Bibliothekar Carl Julius Wilhelm Hamberger[19], und der Philosoph Friedrich Wilhelm v. Schelling, der mit einer Gothaerin in 2. Ehe verheiratet war, nämlich mit Pauline Gotter, Tochter des Gothaer Theaterdichters und Goethe-Freundes Johann Friedrich Wilhelm Gotter und der Luise Stieler.

Diese alle traf er 1818 in München wieder, als er seinen jüngsten Sohn Emil im Alter von 15 Jahren als Kunststudent in die Bayrische Akademie der Künste einführte, welcher dort seine prägende Ausbildung zum Historienmaler erhielt. So nutzte er diese Münchner Beziehungen für die Ausbildung seiner Söhne[20]. Sohn Gustav war bereits 1807-1810 Zögling der bayrischen Kadettenanstalt und befreundete sich hier mit dem Dichter Graf August v. Platen; ihr Briefwechsel ist veröffentlicht, wobei nur die Briefe von Gustav Jacobs an Platen erhalten sind[21].

Nach Gotha zurückgekehrt, wurde Friedrich Jacobs von Herzog August zum Oberbibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts ernannt; diesen Institutionen widmete er jetzt seine ganze Arbeitskraft. Noch heute benutzt man in der Forschungsbibliothek die dickleibigen Kataloge, die er mit seiner zierlichen und akkuraten Gelehrtenschrift gefüllt hat. Schließlich wurde er Direktor der gesamten wissenschaftlichen und Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein. Viele gelehrte Gesellschaften im In- und Ausland, wie Paris, Rom, Neapel, Kopenhagen, St. Petersburg, um nur einige zu nennen, ernannten ihn zu ihrem Mitglied. Auf welche Weise fast alle Aufseher des Münzkabinetts auch verwandtschaftlich verbunden waren, möchte ich hier nicht weiter ausführen; im Anhang habe ich „Die Genealogische Verbindung der Aufseher des Herzogl. Münzkabinetts zu Gotha“ schematisch dargestellt. Wie eng das Verhältnis des Herzogs zu seinem Oberbibliothekar war, möge die Geschichte eines Gemäldes illustrieren. Herzog August schenkte seinem gelehrten Freund und Helfer Friedrich Jacobs sein von Joseph Grassi 1813 in romantischer Pose gemaltes Portrait, welches heute im Besitz des Schlossmuseums ist. Es ist mehrfach als Kupferstich vervielfältigt worden und trägt auf der Rückseite ein auf den Beschenkten gemünztes und mit großem herzoglichen Siegel beglaubigtes Distichon:

WAS ICH DEN MUSEN VERTRAU, WAS SIE MIR LIEBLICH ERWIDERN, / FREUND, ES VERHALLET ZU LEICHT, FASST ES DEIN GRIFFEL NICHT AUF. AO. 1813 AUGUST H. Z. S. G. UND A.

Dieser Vers gibt über die Umstände Auskunft, aus denen heraus die Schenkung des Bildes erfolgt ist. Friedrich Jacobs war des Herzogs Lehrer gewesen und hat ihm, bis auf die drei Jahre seines Münchner Aufenthaltes, während dessen ganzer Regierung treu und doch selbständig gedient. Der Herzog aber war ihm mit einer fast schwärmerisch maßlosen Verehrung zugetan. Oft mußte Jacobs seinen Unterricht am Gymnasium unterbrechen, weil der Herzog nach ihm verlangte, manchmal sogar des nachts. Seit 1811 waren zwei Tage in der Woche bestimmt, an denen der Herzog mehrere Stunden lang seine immer weiter ausgesponnenen romantischen Dichtungen Friedrich Jacobs in die Feder diktierte, den er erst Ende 1810 aus München in seine Dienste zurückberufen hatte. Die Gothaer Bibliothek besitzt eine Reihe dicker Bände dieser Handschriften. Der Dank des Fürsten für dessen ausdauernde Mitarbeit brachte dem Schreiber Grassis Gemälde als Geschenk[22]. Noch als Gymnasialprofessor hat Jacobs 1792 in Denstedt bei Weimar (warum ausgerechnet in diesem kleinen Dorf, konnte ich nicht herausfinden) die Tochter des Weimarer Oberkonsistorialrats und Prinzenerziehers Johann Wilhelm SEIDLER, Johanna Christiana, geheiratet. Seidler war als „meuble très utile“[23] vom Vater der Herzoginwitwe Anna Amalia als Hofmeister der beiden Prinzen Carl August und Constantin empfohlen worden und auf diese Weise von Braunschweig an den Weimarer Hof gekommen. Eine Nichte von Friedrich Jacobs war die Goethe-Malerin Louise Seidler, die von 1800 - 1803 das sogen. „Pensionat der Doctorin Stieler“ in Gotha besuchte[24]. Louise Seidler, 1786-1866, hatte eine gute Beziehung zu ihrem Onkel Jacobs in Gotha und zu dessen Sohn, dem Maler Emil Jacobs, ihrem Cousin. Sie hat ihren Onkel natürlich auch gemalt. Bei den Nachkommen seiner einzigen Tochter Marie Gabriele in England konnte ich jetzt zwei bisher unbekannte Ölportraits von Friedrich Jacobs und seiner 1. Frau Christiane Seidler entdecken, welche die Seidler-Forscherin Bärbel Kovalevski seiner Nichte Louise Seidler zuschreibt.

Auch zum Theater gab es eine Beziehung: Conrad EKHOF, Vater der deutschen Schauspielkunst, wirkte seit 1774 in Gotha. Unter seiner Mitwirkung wurde das erste stehende Hoftheater gegründet, dem er mit dem Kriegsrat und Schriftsteller Heinrich August Ottocar REICHARD vorstand[25]. Reichard war mit Amalie Seidler verheiratet, einer Schwester der Ehefrau von Friedrich Jacobs, war also dessen Schwager. Seine Tochter Charlotte Reichard (1788-1873) heiratete den Gothaischen Kammerrat Carl Emil Constantin v. GÖCHHAUSEN (1778-1855); dieser war der Sohn eines Vetters der Goethe-Freundin Luise v. Göchhausen (1752-1807), der Gesellschafterin der Weimarer Herzogin Anna Amalia, die bekanntlich eine Nichte des preußischen Königs Friedrich des Großen war. Mit dieser Nichte Charlotte v. Göchhausen und deren Mann unternahm Friedrich Jacobs, nach dem 1812 erfolgten Tode seiner 1. Frau, im Jahre 1814 eine Reise nach Carlsbad, um seine, wie er es nannte, „zunehmende Harthörigkeit“ zu bekämpfen, leider ohne Erfolg. Die Taubheit nahm im fortschreitenden Alter zu, und muß erblich gewesen sein, denn auch von seinem Urgroßvater, dem Vizekanzler Johann Jacobs, wird berichtet, daß er im Alter fast gänzlich taub gewesen sei. Im hohen Alter muß Friedrich Jacobs wohl einen Schlaganfall erlitten haben, denn 1843, vier Jahre vor seinem Tode, heißt es in einem Brief des Sohnes Emil an seinen ehemaligen Lehrer Robert v. Langer in München: “Mein Vater, der sich Ihnen bestens empfiehlt, wohnt für einige Zeit bei mir, da meine Schwester verreist ist, er ist alt geworden und leider ein Arm und Bein gelähmt, so daß er nur mit großer Mühe schreiben kann.“ Eine andere Tochter des Weimarer Prinzenerziehers, Caroline Seidler, eine Freundin der Charlotte v. Stein, war in 2. Ehe mit dem bedeutenden Gothaer Verleger und Buchhändler Carl Wilhelm ETTINGER verheiratet. Ettinger, dessen Geburtsdatum immer noch falsch angegeben wird, war ebenfalls ein Schwager von Friedrich Jacobs[26].

Nicht versäumen möchte ich, an dieser Stelle etwas zum diesjährigen Schiller-Jahr

  1. Erschienen 2000 im Starke-Verlag Limburg als Band 214 der Reihe “Deutsches Geschlechterbuch“; einige Exemplare sind beim Verfasser noch zu haben und werden gegen eine Spende für das Familienarchiv abgegeben.
  2. Roswitha Jacobsen u. Juliane Brandsch, bearb., Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg Tagebücher 1667-1686, Bd. 1-3, Weimar 1998/2003; Jahre 1684-1686, s. Band 3, Personenregister, S. 789
  3. Thür. Staatsarchiv Gotha, Geh. Archiv E XI Nr. 25 a, S. 62-65; zitiert nach Ausstellungsbegleiter „Gotha und Westfalen. Eine kleine Ausstellung des Thüringischen Staatsarchiv Gotha im Westfälischen Archivamt Münster 23. März bis 20. April 2001“, S. 9, Nr. 20
  4. Johann Christian Luenig, Grosser Herren, vornehmer Ministren, und anderer berühmten Männer gehaltene Reden. Erster Theil. Leipzig 1709, S. 703ff, 710ff u. 715ff
  5. Friedrich Jacobs, Vermischte Schriften, Band 7: “Personalien“, Leipzig 1840, S. 301f
  6. Text und Abbildungen bei Hans-Jürgen Hinrichs, Lateinische und griechische Inschriften in Gotha und Umgebung, Teil II, Erfurt/Gotha 1999, S. 328ff, 378, 380.
  7. Rudolf W. L. Jacobs, Irrfahrt einer Grabplatte der Familie Jacobs aus Gotha vom Jahre 1721, Unna 1995; die Platte trägt eine lateinische Inschrift und ist bereits 1909 abgebildet im Gothaer Gedenkbuch von Gottlob Schneider, Bd. 2, S. 69 und jetzt auch bei Hans-Jürgen Hinrichs, a. a. O., S. 57ff
  8. Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Weimar 1980ff, Bf. Gotha 23.7.1812, Regest-Nr. 6/457
  9. Abbildung bei Gottlob Schneider, Gothaer Gedenkbuxch, a. a. O., 1. Bd., S. 213
  10. Gottlob Schneider, a. a. O., 2. Band, S. 69
  11. Brief von Richard Kirchner, Gotha, Brunnenstraße 32, v. 29.Nov. 1940 an den Gründer des Familienarchivs Carl Jacobs, damals in Bonn, Noeggerathstr. 30: „Der Familienstamm Jacobs ist für Gotha eine Berühmtheit. Ich habe mich bei allen Gelegenheiten mit den heimatgeschichtlichen und familiengeschichtlichen Überlieferungen des Stammes Jacobs beschäftigt. Meine Karteien enthalten sehr viele Karten mit dem Namen Jacobs. Über die Grabstätten habe ich die nachfolgenden Aufzeichnungen in meinen Friedhofsnachrichten niedergeschrieben. Friedhof I (im Jahre 1905 aufgehoben): Familiengrab mit Kapelle als Oberbau. Am 11.3.1903 wird vom Stadtrat bestimmt: die Kapelle soll entfernt werden. Die Särge sollen in der Gruft mit Erde bedeckt werden. Die Grabsteine sind zu entfernen. In der Gruft standen 9 Särge. Das große Denkmal ist jetzt im Herzogl. Museum in Gotha, ein Denkmal steht im Garten des Buchhhändlers Wilhelm Jacobs, Liebetraustr. 1 [Epitaph der Kanzlarin Maria Elisabetha Jacobs geb. Volck von 1721, seit 1995 im Kreuzgang St. Augustin; der Verf.], ein anderes ist im Gothaer Heimatmuseum untergebracht.“
  12. Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Schloß Friedenstein, Inv.-Nr. 4206 P: Marmorplatte 58 x 72 cm (s. auch www.bildindex.de)
  13. K. E. A. von Hoff und C. W. Jacobs, Der Thüringer Wald – besonders für Reisende geschildert. Hg. u. bearb. von Thomas Martens und Wolfgang Zimmermann, Leipzig 1987
  14. Die Briefe Niethammers an Friedrich Jacobs und seine Beziehung zu ihm, in: Gerhard Lindner, „Friedrich Immanuel Niethammer als Christ und Theologe“, Nürnberg 1971 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 1. Band)
  15. Rudolf Burkhard, Die Berufungen nach Altbayern unter dem Ministerium Montgelas. Dissertation, Delitzsch 1927, bes. S. 96ff und 134ff
  16. Friedrich Jacobs, a. a. O., S. 414-468
  17. Friedrich Jacobs, Hellas. Vorträge über Heimath, Geschichte, Literatur und Kunst der Hellenen. Aus dem handschriftlichen Nachlaß des Verfassers herausgegeben von E.(rnst) F.(riedrich) Wüstemann, Berlin 1852; neu bearbeitet von Carl Curtius, Stuttgart 1897
  18. Burkhard, a. a. O., S. 98
  19. Hamberger, * Göttingen 1754, kam von der Gothaer Bibliothek 1808 nach München und fiel, nach kaum dreijähriger Tätigkeit als Hofbibliothekar, im Jahre 1811 in geistige Umnachtung, in der er im Irrenhaus Bayreuth schon 1813 starb. Erich Petzel, „Friedrich Jacobs über die Münchner Staatsbibliothek vor 100 Jahren“, bringt dessen Brief an Hamberger, dat. München 20. Dec. 1807, in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung v. 31.12.1907, Nr. 225, S. 422-423
  20. Friedrich Jacobs, Personalien, a. a. O., S. 126f, 167f
  21. Der Briefwechsel des Grafen August von Platen, hg. von Ludwig von Scheffler u. Paul Bornstein, 2 Bde, München und Leipzig 1911/1914, Bd. 2, S. 63ff
  22. Nach R. Ehwald, Herzog August von S.-Gotha-Altenburg und Friedrich Jacobs, in: Thüringer Kalender 1909, hg. v. Thür. Museum Eisenach, Redaction Cons. Prof. Dr. G. Voss, o. S., mit zwei Abb.
  23. Fritz Meyen, Über die Anfänge der Bibliothek des Collegium Carolinum zu Braunschweig und ihren ersten Bibliothekar Johann Wilhelm Seidler, in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 54, 1973, S. 200-209, hier: S. 206
  24. „Goethes Malerin. Die Erinnerungen der Louise Seidler“. Hg. von Sylke Kaufmann, Berlin 2003, S. 17. Bei der „Doctorin Stieler“ handelt es sich nicht um die Ehefrau des berühmten Kartographen Adolph Stieler, Friederike geb. Madelung, wie fälschlicherweise in den „Erinnerungen“ und in der einschlägigen Literatur behauptet wird. Auf eine Anfrage hin der Seidler-Forscherin Bärbel Kovalevski konnte ich feststellen, daß es sich bei der Doctorin Stieler um die Schwägerin des Kartographen handelt, nämlich um Sophie Ludolfine geb. Burckhardt; diese hatte bereits vor ihrer Heirat, um 1796 in Gotha eine „Weibliche Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“ inne (s. Albert Klebe, Gotha und die umliegende Gegend, Gotha 1796, S. 127f). Aufgrund ihrer Heírat mit dem Gothaer Hofmedicus Dr. med. Ernst Wilhelm Hermann Stieler wurde sie zur „Doctorin Stieler“; sie leitete die von ihrem Schwiegervater, dem Gothaer Hofrat und Bürgermeister Caspar Hermann Nicolaus Stieler, gegründete „Höhere Töchterschule“ oder auch „Stielersche Anstalt“ genannt. (Vgl. Archiv für Sippenforschung 1975, S. 2f)
  25. Hermann Uhde, hg., H. A. O. Reichard. (1751-1828.) Seine Selbstbiographie, Stuttgart 1877, bes. S. 384f - siehe dazu meinen weiteren Vortrag 2008: "REICHARDS berühmte Verwandtschaft"
  26. Ettinger wurde am 5.6.1741 zu Eisenach als Sohn des angeblich aus Basel stammenden Korporals der Fürstl. Guarde zu Fuß und späteren Stadtlieutenants Johann Daniel Ettinger und der Anna Clara Schröder geboren und am 7.6.1741 ebd. getauft; das Taschenlexikon „Gothaer Persönlichkeiten“ hg. von Helmut Roob und Günter Scheffler, Arnstadt u. Weimar 2000, bringt das falsche Geburtsjahr 1738; im Bürgerbuch Eisenachs Bd. 3, Bl. 138 werden 1761 sechs Kinder des Ehepaars aufgeführt, darunter an 2. und 3. Stelle ein Carl Wilhelm sen. und Carl Wilhelm jun., letzterer ist 1772 aber ebd. als Stadtwachtmeister aufgeführt.