Die erfurtisch-gothaische Familie Ludolf

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Ein Aufsatz von Prof. Karl Weiske

Mehrere. Angehörige der alten berühmten Erfurtischen Familie der Ludolff (oder Leutholff) stehen auch dem Pietismus nahe und sind in enge Beziehungen zu A. H. Francke getreten. In Joh. Chr. Motschmanns Erfordia literata, wo er an zwei Stellen über Träger dieses Namens spricht, wird ausführlich erzählt von Job Ludolf, Professor der Mathematik an der Erfurter Universität und Ratsherrn der Stadt Erfurt (1649 bis 4714), und kurz in einer Anmerkung von dessen Oheim, dem kursächsischen Rat und Residenten zu Frankfurt a. M. Hiob Ludolf (1624 - 1704). Der Verfasser läßt aber den Gesichtspunkt, unter welchem wir die Sippe nun betrachten wollen, gänzlich außer Acht. Auf Seite 285 befindet sich eine Stammtafel, die aber ganz lückenhaft ist und sehr der Ergänzung bedarf. .

Bekannt ist aus Biereye „Aug. Herm. Francke und Erfurt“, daß der Erfurter Ratsherr, der Sohn des im Jahre 1657 gestorbenen Ratsherrn Conrad Rudolf Ludolf, mannhaft für den Diakonus Francke, der von dem late und der kurmainzischen Regierung so ungerecht behandelt wurde, einge- treten ist. Ich brauche das hier nicht zu wiederholen, was Biereye auf S. 74, 73 und 75 darüber berichtet.

Der ältere Hiob Ludolf, der nach dem frühen Tode seines Bruders Conrad Rudolf sich dessen hinterlassenen, erst achtjährigen Sohnes in treuer Liebe annahm und mit Rat und Tat dessen Mutter zur Hand ging, war nicht nur ein berühmter Staatsmann, sondern vor allem hat er sich als Sprachforscher einen Namen gemacht. Er war, nachdem er seinen Bildungsgang durch eine siebenjährige Reise durch England, Frankreich, Italien, Schweden und Dänemark abgeschlossen hatte, am Hofe des Herzogs Ernst des Frommen von Gotha Erzieher des Erbprinzen gewesen, war zum Hofrat ernannt worden und lebte dann als kurpfälzischer Kammerdirektor mit Staatsgeschäften betraut, zumeist in Frankfurt am Main, wo er auch ım hohen Alter von 80 Jahren gestorben ist. In 25 Sprachen gelehrt, legte er sich mit besonderem Fleiß auf die Erforschung der äthiopischen Sprache. Der geniale, ausdauernde Mann wurde der Bahnbrecher für die äthiopischen Studien und schuf die Grundlagen dieser Wissenschaft. Aug. Dillmann spricht in seiner Grammatik der äthiop. Sprache Leipzig 1857, S. 10, von den unsterblichen, über alles Lob erhabenen Verdiensten Hiob Ludolfs, der 1661 die 1., 1702 die 2. (allein noch brauchbare) Ausgabe seiner Grammatica aethiopica herausgab, wozu als unentbehrliches Hilfs- mittel sein Lexicon aethiopico-latinum, 1669 in Frankfurt gedruckt, kommt. Und Ludwig Diestel stimmt in seiner Geschichte des alten Testamentes in der christlichen Kirche Jena 4869 dem Urteile zu: „Unterstützt von dem abessinischen Abte Gregorius erwarb er sich unsterbliche Verdienste um die Pflege der äthio- pischen Sprache. Alles aus äthiopischen Drucken, die er meist selbst veranstaltete, sowie aus Handschriften schöpfend, gab er den ersten Ausgaben seiner Werke in den Jahren 1699 - 1702 das Gepräge einer für jene Zeit außerordentlichen Vollkommenheit.“ Es wird überraschen zu hören, daß in der Handschriftenabteilung der Waisenhausbibliothek zahlreiche Briefe von seiner Hand an Aug. Herm. Francke vorhanden sind und in einer wohl lücken- losen Folge vom 15.2. 1698 bis zum 22, 12. 1703 reichen; leider sind die Briefe nicht vereinigt, sondern nach dem verschiedenen Format auf die beiden Sammelbände D 61 und D 85 verteilt.

Drei Themen ziehen sich durch die Briefe hindurch: 1. Die Berichte über die Reisen seines Neffen Heinrich Wilhelm, von denen er annehmen konnte, daß Francke sich dafür interessiere (s. u.), 2. seine eigene Teilnahme für das Werk Franckes und seine Äußerungen der Gesinnungsgemeinschaft, 3. Mitteilungen über die Fortschritte seiner wissenschaftlichen Arbeit an der 2. Ausgabe seines äthiopischen Lexikons (Frankfurt 1699) und der Grammatik (ib. 1702), Werke, denen er im Jahre 1698 Grammatik und Lexikon des Ambharischen Dialektes hinzufügte. Amhara ist eine früher ein selbständiges Reich bildende Landschaft in Abessinien, und das Amharische ist der in Äthiopien verbreitetste Volksdialekt. In dem Magister Joh. Heinrich Michaelis hatte er durch einen glücklichen Zufall einen Helfer an diesen seinen Alterswerken gefunden. Es ist derselbe, der nachher der Nachfolger A. H. Franckes in der Professur der orientalischen Sprachen . an der hallischen Universität wurde,- 1699 a. o. Prof., 1709 ‘ ordentlicher Professor der Theologie; auch war er in dem Jahre 1702 an der Gründung des Franckeschen collegium orientale theologieum rege beteiligt und ein hervorragendes Mitglied desselben. Das lateinisch abgefaßte Statut dieses Kollegs, von den Mitgliedern der theologischen Fakultät und von Joh. Heinr. Michaelis unterschrieben, wurde dem Frankfurter Ludolf mit der. Bitte zugesandt, daß er ein eingehendes Gutachten darüber abgebe. In der ausführlichen Schrift mit vielen zutreffenden Bemerkungen empfahl er es, in der Annahme, daß es bei dem Institut nicht bloß um gelehrtes Sprachstudium und um den Betrieb der. Grundsprachen für das Bibelstudium handele, sondern auch um den Verkehr mit orientalischen Völkern und . mit dem günstigsten Gebiet für eine Missionstätigkeit, mit Abessinien. In dieser Annahme begegnete er sich mit Ä. H. Francke, . der als Zweck seiner Anstalt angab: „daß, wenn Gott zur Verherrlichung seines Namens eine Thür des Worts im Orient öffnet, immer einige geschickte Leute parat seien, die man dahin senden könne“. Um die wissenschaftlich bedeutende Persönlichkeit des damals dreißigjährigen Joh. Heinr. Michaelis, der nicht nur, wie in der Allg. Dt. Biographie steht, nach Frankfurt ging, um bei Hiob Ludolf Athiopisch zu lernen, entspann sich ein Ringen, ein Kampf zwischen Francke und Ludolf; der eine, seit 1698 mit der theologischen Professur betraut, glaubte, ihn ın Halle als Dozent der orientalischen Sprachen nicht entbehren zu können, der andere meinte auf seine Unterstützung angewiesen zu sein und ohne dessen jüngere Kraft sein Werk nicht zum Abschluß bringen zu können. Am 24. 8. 1698 schreibt Ludolf an Francke: „Lexikon und grammatica Amharica soll denen dienen, die mit der alten hochberühmten Nation der Habeßiner conversiren wollen.“ Er übernahm selbst den Verlag und die Kosten der Grab- und Gießung der Buchstaben; denn die äthiopische Schrift weicht in ihrer Form und ihrer Art von der der übrigen semitischen Sprachen gänzlich ab; er fordert die Unterstützung durch M. Michaelis, der in Halle leichter zu ersetzen als ın Frankfurt zu entbehren sei, und beruft sich auf die Fürbitte seines heben alten Freundes, des Professors Cellarıius[1]. „Sie wollen“, schreibt er schon fünf Tage darnach an Francke, „doch nechst den andern wichtigen Umbständen auch mein Alter (74 Jahr) bedenken (da Gott über mich gebieten sollte, dessen ich in christlicher Gelassenheit erwarte), daß alsdann alle diese mit so großer Mühe elaborirte Sachen liegend bleiben oder gar verlohren gehen würden.“ Von der Bedeutung seiner Arbeit ist er sehr überzeugt, die er aber nicht sich zum Ruhme anrechnet, sondern ganz sub specie aeternitatis anschaut. Am 19. 9. 1698 schreibt er: „Meine inständige Bitte ist, mir Herrn M. Michaelis noch ein Jahr zu lassen, wiewohl wir uns äußerst befleißigen wollen, eher fertig zu werden, denn ich mein Alter in wahrer Ergebung in Gottes Willen bedencke und also mein von Gott peculiariter verliehenes Talent zu dem gemeinen Besten und zuförderst Gott zu Ehren und zur Ausbreitung seiner Kirche gerne würcken laßen wolte, da dann Gott der Herr gedachten Michaelis mir ohngefehr ohne mein vermuhten oder gedancken zugeschickt. Denn ich weiß keinen Menschen in der Welt, zu dem ich das Vertrauen haben könte, der sich auch hesser in meinen humor, gedancken und Verstand meiner Schrifften schickte, der sie auch, da Gott mitlerzeit über mich gebieten solte, besser hinauszuführen und zu kontinuiren wüßte.“ 2.10. 1698: „Ich gehe dem Alter nach auf meine Grube und Gott gibt mir noch Leibes- und Gemüthskräfte, daß ich nicht anders dencken - kann, denn es thue der liebe barmhertzige Vater aus keiner andern ‚Uhrsache, als daß ich das talent, so er mir vor andern in der Welt alleine verliehen, itzt noch vor meinem Ende würcken lassen solle.“ Während er bisher seine Briefe mit den Höflichkeits- formeln eröffnet hatte, wie z. B. WohlEhrw. Insbesonders Großgeehrter Herr Professor, sehr verehrter Freundt!, fallen diese von dem Briefe 5.5. 1699 an weg mut der Begründung: „Weil auch unter unmüßigen Staatsleuten der Gebrauch ist, daß, wenn die Hände einander bekant sind, Sie ohne Über- und Unterschrift aneinander zu schreiben pflegen, umb die Zeit zu sparen und zu nöhtigeren Dingen anzuwenden, mir auch meines Groß- geehrten Herrn Professor vielfältige Geschäfte wohl bekannt, alß habe anietzo den Anfang darzu machen und demselben mit gutem Beispiel zur Nachfolge vorgehen wollen, damit hinkünftig die ‚.complimente unterbleiben und die Zeit mit denselben nicht verderbet werde.“

In seiner Frömmigkeit und Gottesfurcht führt er die wich- tigen Ereignisse seines Lebens auf besondere Fügungen Gottes zurück; so auch die Verbindung mit Francke, der er die Mithilfe

des Michaelis verdanckt.. 7.10. 1798: Der allein weise Gott : der das Künftige und Gegenwärtige für seinen Augen hat und ‚es nach seiner Vorsehung wunderbahrer Weise dirigiret hat die .Gemühter meines in Christo werthgeschätzten Freundes also regiret ......; Sie als junge Leute werden die Früchte dieser Arbeit erleben ich aber die Wirkung davon im Himmel erfahren! 15. 4. 1699: Es betrifft eine alt christliche Nation zu deren Cultur man den Weg bereiten und gleichsam Thür und Thor öffnen will, : dieselben zu einer Communikation mit der unsrigen zu veranlassen, welches ohne das adminiculum der Sprachen als gleichsam der Schlüssel nicht geschehen kann! In einem der letzten Briefe vom 23. 10. 1703, !/, Jahr vor seinem Tode von Altenburg aus geschrieben, wo er am Hofe Geschäftliches zu erledigen hatte, bedauert er nicht nach Halle kommen zu können, aber er spricht‘ seine Freude aus, bei seinem nahenden Alter an Francke gleichsam, einen Erben und executorem derjenigen Liebe gefunden zu haben, die er zu der Habessinischen Nation habe.

Er ist mit Francke nicht nur durch seine sprachlichen und . Missions-Interessen verbunden, sondern manche Äußerungen lassen ihn als (resinnungsgenossen und Freund des Pietismus erkennen, und manche nach Halle ins Waisenhaus geflossene Spende zeugt davon, daß er es nicht bei den Worten hat bewenden lassen. In dem lateinischen, von ihm einem Schreiber diktierten Briefe vom 15.2. 1698 steht von seiner Hand an den Rand geschrieben: „Subsidiumsemestre a me promissum brevi aceipias.“ Am 7.5. 1698 schreibt er: „Eleemosynam semestrem quam vobis vovi, David Heinrich Brand, seriba vectigalium (Öbersteuerschreiber zu Altenburg) oblata apocha tua (Quittung) solvet. Indica illi modo bonam et tutam occa Sionem vel certum quendam virum Lipsiae, cui sex impersales solvi poterunt.“ Und am 28. 7. desselben Jahres: „Aus desselben billet ohne dato habe ich gerne vernommen, daß die 6 Thl. halbjährige Armenstewer, ad dies vitae bewilligt, von Altenburg aus bezahlt worden. Gott lasse es den Nohtdürftigen zehenfach zum besten gedeyen.“ Und daß Francke geradezu daran erinnert, nimmt er nicht übel, sondern schreibt am 21.2. 1699: Die beschehene freundliche Erinnerung wegen des Versprechens für ihre Armen nehme ich auch gerne und freundlich an; wegen vieler occupationen ist es bißhero von einer Zeit zur andern verschoben worden. Doch habe ich heute auch bereits die ordre nach Gotha gestellet.“

Er ist von Grund des Herzens Pietist und mit Franckes Erziehungsgrundsätzen einverstanden. Am 10. 10. 1699 schreibt er von Altenburg: „Mein geehrter Herr Professor läßt ihm an- gelegen seyn nicht allein Christliche Eltern zu obligiren, sondern auch ihre Kinder andern zum beständigen Exempel zur pietet anzuweisen.““ „Ein ernstliches Christenthum, Gottesfurcht und Liebe des Nechsten muß vor allen Dingen getrieben werden... .“ „Also siehet man, daß es doch noch viel fromme und liebreiche Leute in der Welt gebe, denen die wahrhaften Pietisten angenehm sind. Wie es denn jederzeit in allen Religionen gegeben, die ihres erbarn und heiligen Lebenswillen hochgeachtet werden, ob sie sich schon von der Welt separiren (29. 1. 1700). “ Nach pietistischen Grundsätzen hat er seine Lebensführung gestältet. Von Franckes Unpäßlichkeit im Jahre 1700 hat er mit Bedauern vernommen und teilt ihm am 13. 4. mit, daß er sich freue, daß es sich zur Besserung angelassen; ‚‚Goit lasse dieselbe continuiren. Wir sind Seiner göttlichen Güte die conservation unserer Gesund- heit schuldig, so ist es auch nöhtig im Fleisch leben, derowegen ‚eine gute dispositio laboris et quietis, cibi et potus et diaetae insgemein fleißig in acht zu nehmen und zu halten ... Jedoch laß ich alles der Göttlichen verordnung anheim gestellt seyn.“ Trotz seines Geh. Hofrätlichen Standes ist er mit dem an den Höfen beliebten Lebenswandel nicht einverstanden. Am 7. 10. 1699 schreibt er von Leipzig folgendes Urteil über das höfische leben: Praestat silere quam pauca eaque parum vera dicere. Sapienti sat. Man muß sich wundern, wie die hohen Leute inter tot gravia negotia die Comödien, Operen und ridotten biß nach Mitternacht auszustehen vermögen et quidem sine nausea vel defatigatione. Jedoch zu scherzen versteht er recht gut. So schreibt er am:12. 12, 1699 von dem Briefe seines Neffen Heinrich Wilhelm, der aus dem Orient gekommen und in Livorno erst Quarantäne halten mußte: „Weil er zwar nicht gesalzen, aber doch wohl beräuchert worden, wird er sich nun besser halten.“ Spaß macht es ihm, als er von seinem Weltreisenden erfahren hat, daß er sich in einen Orientalen verwandelt hat, ihn sich so vorzustellen, und er schreibt am 1. 8. 1699: ‚Heinrich Wilhelm legt türkische Kleidung an, schreibt aber nicht, was für einen Turban er gebraucht und wie ihm sein Bart wachse und anstehe.“ Unter den Ludolfschen Briefen liegt auch ein Brief des Prof. Iur. an der Erfurter Universität Georg Heinrich Brückner (1652 1700), eines Gliedes der zahlreichen Familie Brückner, die seit Hieronymus Brückner, fürstl. weimarischem Hofrat und oberstem Ratsmeister (1582 - 1645) in Erfurt ansässig und be- gütert war, und Vaters dreier Söhne, die ebenfalls in Erfurt blieben. Der Vater unsers Georg Heinrich, Hieronymus Brückner (1614 bis 1656) war Herzog Ernsts des Frommen von Gotha Hof- und Justizrat, der seine Stelle von Erfurt aus versah, weil er hier seine Güter hatte. Sein ältester Sohn, wie er, Hieronymus genannt und ebenfalls gothaischer Hof- und Justizrat, der Bruder Georg Heinrichs, neigte dem Pietismus zu und ließ seinen ältesten Sohn, auf den der in der Familie sich forterbende Vorname Hieronymus auch wieder übergegangen war, das in Erfurt angefangene Studium der Theologie in Halle fortsetzen. Derselbe ging im Jahre 1697 auf Franckes Rat zu P. Andreas Achilles in Dornum (Ostfriesland) zu dessen Unterstützung. Darnach stand er im Waldeckschen als Inspektor seminarüi et scholarum, nahm aber infolge der dort im Jahre 1710 ausgebrochenen Wirren seinen Abschied und wurde sodann vom Fürsten von Ostfriesland zum zweiten Pfarrer in Wittmund ernannt. Im Jahre 1731 ‚brachte dieser seinen Sohn Hieronymus im Alter von 18 Jahren nach Halle, daß er ın den Stiftungen die Lateinschule besuche; wonach er auch 1734 die hallische Universität frequentierte. Später wurde derselbe Rektor in. Wittmund und Pastor in Funnix (1751-1774), in welcher Stellung ıhm sein Sohn, . wieder ein Hieronymus, nachfolgte (1791 P. ın Funnix). Dies zur Er- . gänzung der Brücknerschen Stammtafel in Motschmann $. W. Georg Heinrich ıst wohl auch. mit der Ludolfschen Familie . verwandt, da seine Mutter Christine und des älteren Hiob Ludolf ’ Mutter Judith beide geborene Brand waren. Nach Motschmann - . a. a. O. S. 89ff. war er nicht nur ein gelehrter Jurist, sondern auch ein frommer Mann, der sich nıcht nur selbst für seine Person eines - stillen Lebenswandels befleißigte, sondern auch eifrig bemüht war, sein Haus zur Gottesfurcht anzuführen. Täglıch hielt er ordentliche Betstunden mit den Seinen, war mitleidig und freigebig gegen die Armen und ließ besonders ın der gefährlichen Pestzeit des Jahres 1683 Proben seiner Nächstenliebe sehen. Er wurde mit ın die pietistischen Händel verwickelt, sonderte sich aber von der Kirche nicht ab. In seinem an Francke gerichteten Briefe, den er gleich auf die Rückseite des von Hiob Ludolf an ihn selbst gerichteten Briefes geschrieben hat, ist für seine Geistesrichtung bezeichnend, daß er an Francke die Bitte richtet, ein einliegendes Brieflein an das Fräulein von der Asseburg befördern zu wollen. Es ıst das Rosamunde Juliane von der Asseburg (1672-1712), die Prophetin und Heilige des Pietismus, in deren empfänglicher Seele schon in früher Jugend ein tiefes religiöses Empfinden in visionärem Schauen und Hellsehen, in frühzeitig aufgeschriebenen Offenbarungen staunenerregenden Ausdruck fand. Ihre Visionen wirkten ansteckend besonders ın Pfarrhäusern, z. B. auf die Magd des Lizentiaten Schmaltz in Erfurt.

Eine gute Vorstellung von der äußeren Persönlichkeit des genialen Hiob Ludolf verschaffen zwei Porträts, die sich in der großen Porträtsammlung der Waisenhausbibliothek befinden (Verzeichnis der aus 9000 Nummern bestehenden Sammlung wird veröffentlicht in dem Mitteilungsblatt des Ekkehard, Halle 1927 f.). Das eine ist ein Stich Bernigeroths (15 : 9 cm) mit der vom Sammler herrührenden Unterschrift: ‚Ein Nestor seiner Zeit, dem studia und Reisen sehr hoch ans Brett gebracht, der viele klug gemacht, der zweyte Scaliger, den 20 Sprachen preisen.“

Das zweite ist ein Stich des Elias Ch. Heiß, Augsburg 1691 nach einem Gemälde des G. B. von Sand (32 : 20 cm) mit einem Elogium des Rektors der Erfurter Universität D. Georg Christoph Petri von Hartenfels,

Außer dem jüngeren Hiob hatte unser Nestor noch zwei Neffen, die fromme Pietisten waren, beides Söhne seines älteren Bruders Georg Heinrich, obersten Ratsmeisters in Erfurt und kurmainzischen Regierungsrates (1615-1669), aber von verschiedenen Müttern; aus einer ersten Ehe stammte Heinrich Wilhelm, geb. 1655,’ der schon mehrfach erwähnte große Reisende, aus der zweiten Fihe mit der Erfurter Senatorstochter Martha : Benigna Schmid, Georg Melchior, geb. 1667, gest. als Kammergerichtsbeisitzer in Wetzlar im Jahre 1740, beide Brüder, wenn auch Stiefbrüder, ın treuer Liebe miteinander verbunden, beide auch, wie ihr berühmter Ohm mit den Vertretern des Pietismus, besonders mit Francke eng befreundet. oo Über den ersten von ıhnen, Heinrich Wilhelm, macht G. Kramer ın dem Lebensbilde A. H. Franckes I. S. 258 Anm. Mitteilungen. Mit 31 Jahren wurde er Sekretär des Prinzen Georg von Dänemark, späteren Gemahls der Königin Anna von England, so daß er zu beiden europäischen Höfen in Beziehung stand. Infolge schwerer Erkrankung legte er die Stelle nieder, er bezog aber eine Pension, die er nach seiner Wiederherstellung zu weiten Reisen benutzte. In den Jahren 1693 — 95 hielt er sich ın Rußland auf, dann in Holland und England. Hatte er schon hier Briefe mit Franeke gewechselt, so trat er im Jahre 1697 während eines viermonatigen Aufenthalts in Halle in ein engeres Verhältnis zu ihm und ging ganz auf seine Ziele und Pläne ein, wie er ander- seits auch selbst den hallischen Freund beeinflußte., Besonders erfüllte er Francke mit dem Gedanken der Verbreitung des Evangeliums im Orient und der Wiederbelebung der orientalischen Kirche, den er selbst ın den Jahren 1698/99 auf der Reise nach dem Orient gefaßt hatte. Das war die Reise, auf der ıhn, wie wir oben sahen, der alte Oheim ın Frankfurt mit höchster Teilnahme begleitete, indem er auch die Korrespondenz zwischen jenem und Francke vermittelte. (So schreibt er am 29. 10, 1699: „Sobald ich an hiesigem Ohrte, dem Höchsten sey Danck, frisch und gesund angekommen, hat mich der grundgütige Gott mit einem Brieflein aus Constantinopel von meinem Vetter H. Heinrich Wilhelm erfrewet, welcher Frewde ich Ew. WohlEhrw. hiermit cito theilhafftig machen und daßelbe, aus dem Englischen versirt, hiebey übersenden wollen‘). Diese Reise führte den begeisterten, Sendboten des deutschen Pietismus nach Konstantinopel, Pa- lästina und Ägypten. Zahlreiche Reste seiner Korrespondenz befinden sich ın der Handschriftenabteilung der Waisenhausbibliothek. In A 112 sind zusammengebunden die Briefe, die er vom 44. 10. 1695 an an Francke geschrieben hat, bis zum 30. 10. 1.697 lateinisch abgefaßt, es folgen mit dem 13. 7. 1703 beginnend deutsch geschriebene bis zum 16. 10. 1711, vielleicht dem letzten vor seinem Tode an Francke geschriebenen (,‚die continuation des :Seegens Gottes über Ihre Anstalten erfrewet mich herzlich“). Daran schließen sich in dem Sammelbande französisch geschriebene Briefe an den Freiherrn Carl Hildebrand von Canstein, den Freund Franckes, der den Mittelpunkt der pietistischen Kreise in Berlin bildete, bis zum Briefe vom 14.5. 1707, in welchem Ludolf von Halle aus dem Freiherrn dafür dankt, daß er ihm sein Haus in Berlin zum Quartier angeboten hat. D 71 enthält die Briefe, die er von seinen Reisen nach dem . Orient, Italien, Frankreich, England usw. an Aug. Herm. Francke - geschrieben hat. Einen derselben hat Dr. August Nebe veröffentlicht in den neuen Quellen zu Aug. Herm. Francke ın den Beiträgen zur „Förderung christlicher Theologie“ XXXI 1. Der Brief zeigt den Briefschreiber ın Glaube, Liebe, Hoffnung mit dem um acht ° Jahre jüngeren Freund in Halle einig; Ludolf ist geradezu der, Geschäftsträger Franckes in London, der dessen Verbindung mit dem Orient zu fördern sıch bemüht,

B 71 enthält seine mancherlei Nachrichten und Vorschläge; ein besonders deutlicher Beweis für die Beweglichkeit, Erfindungskraft und Überlegung dieses Mannes. Er beginnt mit einem Rate, den er an Halle richtet: ‚„‚Solte sich etwa einer oder anderer von meinen Bekandten bey Ihnen in Halle angeben, absonderlich von fremden Nationen, achteich eszwar unnöthig solchen menschen Ihnen zu allen Liebesbezeugungen zu recommendiren, kann aber nicht unerinnert lassen, daß mann auf alle mittel und wege gedencke solcher Gelegenheit sich wohl zu gebrauchen, mit andern Völkern und Kirchen in gutes Vernehmen und correspondenz zu tretten. Gott gebe hierzu heilsame Anschläge und einen ge- segneten Ausschlag. Psalm 21, 1.“ Er führt dann Namen der Persönlichkeiten auf, die mit ihm befreundet sind und von denen man mit seiner Empfehlung Dienste christlicher Liebe erwarten könne: in England, Holland, Schweden, Dänemark, Liefland. Rußland, Frankreich. Er. gibt Anleitung zu einer englischen Reise. Ratschläge für Reisen überhaupt. (‚Denen Reisenden wäre zu rathen, daß sie nebst ihrem Journal. sich gewehneien auch ein Memorial zu halten. Wie sie ım Journal aufschreiben, was sie von Tag zu Tag gesehen und gethan, so zeichnen sie in ihr Memorial, was sie sehen oder thun wollen, wie es ihnen einfällt oder von anderen angegeben worden.‘“) So stehen auch in A 112a Meditationes mancherlei Art von 1701-1711.

C 144 enthält 47 französisch geschriebene Briefe von H. W. Ludolf an seinen Bruder Ge. Melchior, beginnend mit dem 7.1. 1692 ın Frankfurt geschriebenen und schließend am 6.8. 1710 London.

Auf diese Reiseberichte und Briefe einzugehen, würde hier zu weit führen. Aber zur allgemeinen Charakteristik dieses Ludolf will ich einige Worte von ilım anführen, die Anton Wilhelm Böhme, Hofprediger des englischen Prinzgemahls, des dänischen Prinzen Georg, in seiner Trauerrede auf den Tod des am 25. Januar 1712 Gestorbenen auf ihn geprägt hat. „Es geschah nicht aus einem jückenden Vorwitz, daß er soviel saure Tritte über sich nahm und auch nicht aus einer Ehrbegierde, um vor einen weit gereißten Mann gehalten und davor gerühmt zu werden, sondern sein Zweck hierbey war, den Zustand der Kirchengemeinden im Orient zu untersuchen und durch vereinigte Bemühungen einiger das gemeine Beste suchender Männer ihnen einige Hülfe zu .„schaffen.. Er pflegte nicht viel Zeit zu wenden auf die Erzehlung “der Raritäten des Morgenlandes. Wie oft habe ich es selbst gehöret, daß er von dem Jerusalem, das hienieden ist, sich abgewendet und seine Rede auf dasjenige gerichtet, welches droben ist. Wie oft pflegte er von dem Grabe, von welchem gesagt wird, daß des Herrn todter Leichnam darinnen gelegen habe, Anlaß zu nehmen davon zu reden, daß die Hertzen der Christen doch möchten in dem Stande seyn den lebendigen Christum durch den Glauben in sich aufzunehmen. Als er, aus dem Orient zurückgekehrt, im Jahre 1700 seine „Gedanken von der Beförderung des geistlichen Nutzens der morgenländischen Kirchen auf eine kräftigere Art, als was bishero desfalls versuchet worden‘ veröffentlichte, wurden seine Vorschläge von der englischen Gesellschaft „zur Beförderung der Erkenntniß Christi‘ freundlich aufgenommen, und er selbst wurde zu einem korrespondierenden Mitgliede dieser Gesellschaft erwählt. Böhme, der ein Schüler Franckes war, vermittelte auch eine enge Zusammenarbeit dieser englischen Gesellschaft mit dem hallischen Missionsfreunde und der dänisch-hallischen Waisenhaus- mission, nachdem Francke durch. die Anregung des pietistisch gesinnten reformierten Predigers der französischen Gemeinde in Berlin David Aneillon Mitglied der Gesellschaft geworden war. Über das Sprachgenie Heinrich Wilhelm Ludolf sagt Böhme: „Der Herr machte ihn geschickt zum Dienst der allgemeinen Kirche. allermaßen er gar glücklich den Gebrauch und die Übung so vieler Sprachen fortsetzte, wovon das Ludolphsche Geschlecht so viel Jahr lang in Teutschland berühmt gewesen. Denn eben diese Gabe lag gar nicht ohne einen nützlichen Gebrauch in seinen Händen. Er bekannte frey, daß, wie die Wissenschaft vieler Sprachen bey einem frommen Menschen ein herrliches Mittel wäre, das wahre Christentum auszubreiten, also hingegen dieselbige bey einem gottlosen Menschen ein Gift und ein gefährliches Mittel sey, seinen pestilentzialischen Gift vielen andern beyzubringen ... Lernete gleich ein Mensch alle Sprachen der Welt, so würde ihm . doch solches nichts helfen, woferne er nicht auch darneben die Sprache Gottes lernete, um dadurch mit seinem Schöpfer umgehen zu können.“ : Der vierte aus der berühmten Familie der Ludolfs, der mit einstimmt in dem Chore der Stimmen des Pietismus ist der Halbbruder Heinrich Wilhelms, nämlich Georg Melchior. In der Allg. dt. Biographie XIX S. 390ff findet sich eine Biographie dieses bedeutenden juristischen Schriftstellers, ın der auch seine pietistische Lebensführung betont wird. So war Georg Melchior ein entschiedener Gegner des Spiels. und andern müßigen Zeitvertreibs. Als er als Sekretär eines in der kaiserlichen Armee dienenden Fürsten 1688/89 in Wien weilte, verwandte er lieber die ihm reichlich gebotenen Freystunden zu Musik und Sprachübungen. Seine von des Fürsten Handlungs- und Denkweise völlig verschiedenen Lebensanschauungen und Grundsätze veranlaßten ihn auch, dieses ihm widerstrebende Dienstverhältnis zu lösen. Dafür fand er am Hofe des Herzogs von Sachsen- Eisenach eine Anstellung als Sekretär, was er der Vermittlung seines mütterlichen Oheims Joh. Jakob Schmid, obersten Geheimrats am Hofe zu Eisenach, verdankte (1691). Später wurde er von seinem Fürsten zum Kammergerichtsbeisitzer präsentiert und im Jahre 1710 als Assessor des obersächsischen Kreises eingeführt, bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Karls VI erhielt er mit Rücksicht auf das Alter seiner Familie und auf seine eigenen Verdienste den erblichen Reichsadel. In seinen Memoiren erscheint er als anspruchsloser, äußerst strebsamer Mann und. pflichttreuer Beamter, dessen Hauptcharakterzüge Frömmigkeit und Gottesfurcht waren, und der in seinem festen Vorsehungsglauben alle wichtigen Begebenheiten seines Lebens auf besondere Fügungen Gottes zurückführte. Daß er sich, was in der Biographie nicht zu lesen, der mystischen Richtung ‚innerhalb des Pietismus hingegeben hat, geht daraus hervor, daß er mit Pierre Poiret, dem gelehrtesten und bedeutendsten unter den außerkirchlichen Mystikern und Pietisten seiner Zeit, in Briefwechsel stand. Einen allerdings einseitigen Einblick in dieses Verhältnis gestatten sechs Briefe Poirets an Georg Melchior aus den Jahren 1696 und 1697 von Rıjnsburg aus geschickt, wo Poiret in der Zurückgezogenheit - lebte und sich einer ausgedehnten Schriftstellerei widmete. Sie sind in der Handschriftenabteilung der Waisenhausbibliothek verwahrt zusammen mit Heinrich Wilhelms Briefen an seinen Bruder, Sign. C 144 und bis jetzt der wissenschaftlichen Betrachtung verborgen geblieben, während sie doch wegen ihres philosophisch-theologischen Inhalts untersucht zu werden verdienen. Der erste Brief vom .20./30. 1. 1696 scheint wirklich auch der erste zu sein, den Poiret überhaupt an Ludolf geschrieben hat. Er bildet die Antwort auf mehrere Briefe, die von Eisenach nach Rijnsburg gegangen sind, von denen aber nur der letzte vom 18./28. 12. 1695 den Adressaten erreichte. Noch hat ihm Georg Melchior verheimlicht, welche Stellung er im Leben inne hat. Poiret schreibt: „Titulos tibi, quippe quos me celaveris, apponere aullos potui.“ Die nächsten adressiert er dann: ä& Monsieur Monsieur G. M. Ludolfus Secretaire prive de 5. A. S. a Eysenac und Amplıssimo Nobilissimoque viro Domino G. M. Ludolfo Serenissimo Principi Jenensi a consilis ... Jenam: Bescheiden deutet Poiret an, was wohl Ludolf bewogen haben mag, mit ihm in Verbindung zu treten: „Video tenuia scripta mea occasionem tibi praebuisse veritatis solidioris vel propius cognoscendae vel etiam ulterius quaerendae.“ Sicher hat Ludolf die cogitationes rationales de Deo, anıma ac malo Poirets gelesen ein. Werk, das ım Jahre 1677 erschien und dein Verfasser den Ruf großer Gelehr- samkeit und außerordentlichen Scharfsinns verschaffte und welches kein Geringerer als Christian Thomasius, in Poiret eine verwandte Seele begrüßend, im Jahre 1694 ın der dissertatio ad Poireti libros de eruditione lobte und warm empfahl; es war zu der Zeit, als der große Aufklärer sich zu den Pietisten und Mystikern zählte. Die Grundidee der cogitationes: „der praktische Zweck einer evidenten Einsicht ın Gott und das Göttliche ıst, die zerrissene Christenheit zur Einheit zu führen‘ begegnete sich mit dem Lieblingsgedanken, der in den Ludolfs lebte. Dabei kam es ja nicht auf eine Vermischung der Eigentümlichkeit der verschiedenen Konfessionen an, man sah eben von allem Kon- fessionellen ab: es gilt non dogmatice, sed pie consentiri. Georg Melchior gehörte doch auch zu den „bonnes ämes, zu den für Gottes Wahrheit empfänglichen Seelen, die in allen Kirchen, im Gegensatz zu der übergroßen Majorität der Namenchristen, wenn auch nur spärlich verstreut sind“. Es war Poirets Ziel, diese in geistigem Verkehr unter sich zusammenzuschließen, ohne sie von ihrer Kirche trennen oder eine neue Organisation bilden zu wollen. Vielmehr sollte ein jeder in seiner Kirche verbleiben und deren Gutes zu seiner Erbauung anwenden, das Böse aber vermeiden und so auf das innere, echte Christentum dringen.

Aus dem Anfange des zweiten Briefes geht hervor, daß Poiret auch Georg Melchtiors Oheim, den Frankfurter Hiob Ludolf, kennt (‚‚patruus tuus fama, celebritate et scriptis mihi innotuit“), daß Heinrich Wilhelm durch Londoner Freunde, die nach Holland . reisten, an Poiret Grüße gesandt hat; ja Poiret vermutet, daß Heinrich "Wilhelm den Bruder auf seine Schriften aufmerksam gemacht hat. Und lesen wir einige Zeilen weiter, so hören wir, daß Georg Melchior auch von dem Wunsche beseelt gewesen ist, der Schriften praeclarae virginis A. B. habhaft zu werden. Es ist das Antoinette Bourignen, eine reichbegabte, aber mehr als sonderbare Frau, deren Reinheit, Seelenruhe, Selbstverleugnung - und inniges Leben mit Gott von vielen Männern ihrer Zeit be- wundert wurde. : Auch Porret gehörte zu ihren Jüngern und war bis zu ihrem Tode (1680) ihr Begleiter auf ihren Reisen. In ihren Eingebungen glaubte er Gottes eigene Weisheit zu vernehmen, durch sie öffnete sich ihm der Blick in die Wirklichkeit der Dinge, während alle Wissenschaft nur zu Vorstellungen und Begriffen verhilft. In den Jahren 1679 - 1686 förderte er den Druck ihrer Werke in Amsterdam und verteidigte in einer ausführlichen Vorrede seine von so vielen angefochtene Heilige.

Auch von Georg Melchior besitzt die Waisenhausbibliothek in ihrer Porträtsammlung Bilder und zwar drei, von denen der Stich Sysangs mit der Widmung Jo. Gottfr. v. Meiern den bedeutendsten Eindruck von der Persönlichkeit des Kaiserlichen Reichskammergerichtsassessors übermittelt, während ein zweiter Stich eine große Ähnlichkeit mit dem älteren Hiob erkennen läßt[2].. Ich bin am Ende und glaube alle Quellen der Waisenhausbibliothek über die Zeit nach Franckes Weggang von Erfurt ausfindig gemacht und hier besprochen zu haben. Der Leser wırd den Eindruck davon mitnehmen, daß der Pietismus in Erfurt nicht zur rechten Entfaltung seiner Lebenskräfte gekommen ist, sondern in der Engigkeit des Parteistreites oder des Wirkens in der Stille geblieben ıst, daß aber die drei großen Erfurter Ludolfs außerhalb die pietistischen Gedanken aus der Enge ın die Weite getragen haben und Vorläufer gewesen sind der jeizt wieder die Seelen und Herzen aller bewußten Christen in allen evangelischen und ihnen nabestehenden Kirchen zum Zusammenschluß drängen- den Bewegung, die im Hinblick auf den Ansturm des Atheismus so bitter notwendig ist.

Einzelnachweise

  1. Christoph Cellarius (Keller), Prof. eloqu. und histor., seit 1693 an der jungen hallischen Universität, gelehrter Altertumskenner.
  2. Der Ludolfschen Familie, deren Name ja auch Ludolph geschrieben ist (und Leudholf, Leutholff, Leutholph und Lütholf lautete), steht vielleicht auch in irgendeiner Beziehung nahe Henrik Otto Leutholf, der im Jahre 1699/1700 Informator am Kgl. Pädagogium Franckes wär. Derselbe hatte an der Erfurter Barfüßerkirche als Diakonus angestellt werden sollen; weil er sich aber weigerte, Franckes Predigt „Von den falschen Propheten“, in Halle am 8. Sonntag n. Tr. 1698 gehalten, als Lästerpredigt zu bezeichnen, war er abgelehnt worden. Francke glaubte deshalb sich seiner besonders an- nehmen zu müssen und vermittelte ım Jahre 1712 seine Berüfung zum Rektor in Aurich, ven wo Leutholf schon im nächsten Jahre nach Norden versetzt wurde. Von hier aus berichtet er über die große ostfriesische Sturmflut, die sogenannte Weihnachtsflut in der Christnacht 1717, an die Freunde in Halle. Abschriften dieses Berichts sind in unsrer Handschriftenabteilung in zwei Fassungen vorhanden (A 144), von mir veröffentlicht in den Upstalsboom- blättern für ostfriesische Geschichte. Emden 1925 XIII, Jahrg. 1. 2.

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