Fern Andra

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Interview mit Fern Andra.

Ein Artikel von Rosa Wachtel aus 1921

Fern Andra spricht ein entzückendes Deutsch, die neu-hochdeutsche Schriftsprache, gemischt mit Berliner Dialekt und einigen englischen Brocken, denn sie ist Amerikanerin und ihre englische Muttersprache guckt bei allem, was sie sagt, hervor. Sie wirkt riesig apart, hat etwas von einer fremdländischen Blume an sich. Ein ganz feines, blasses Gesicht, welches durch seine exakte Ebenmässigkeit an eine alte, kostbare Kamee erinnert, umrahmt von glänzendem, schwarzem Haar, das sie glatt aus der Stirne gekämmt trägt, dazu ein unsagbar schlanker Körper mit leichten, an mutigen Bewegungen. Im Film wirkt sie stärker, gedrungener, alles an ihr ist duftig, schnell und atmet einen harmonischen Rhythmus. Wie sie mir so gegenüber sitzt, in einem raffiniert einfachen, weissen Seiden kleid, mit schwarzen Perlen be stickt, eine Zigarette zwischen den schlanken Fingern, ist sie ein Bild zum Malen. Man stellt sich Fern Andra viel pompöser vor, sie ist aber in Wirklichkeit viel einfacher, als sie sich gibt. Und als ich ihr mein Erstaunen dar über aussprach, äusserte sie sich folgendermassen:

Mein Publikum will mich nicht einfach haben, es sieht in mir die Grande-Dame mit kostbaren Toiletten, viel Schmuck und vielen Freunden. Es würde mir gar nicht glauben und ich würde auch bestimmt viel in seinen Augen verlieren, wenn ich einfach käme. Und nachdem ich das eingesehen habe, lasse ich den Leuten ihren Willen. Ich gebe mich kompliziert, ein bissl extravagant war ich von jeher, natürlich kursieren daher allerhand überspannte Gerüchte über mich; es würde mich nur ein Wort kosten, sie zu widerlegen, ich tue es aber nicht; wer mich kennt, weiss, was er von diesem Getratsche halten soll und die anderen denen ich nur vom Bild bekannt bin - na, die haben mich eben so, wie sie mich haben wollen".

Fern Andra ist nach Wien gekommen, um ... ja. weswegen? Um sich hier einen Rennstall zu kaufen, um sich dem Wiener Publikum vorzustellen, um ein bisschen Wiener Luft zu atmen und so fort. Wegen dem Rennstall schwebt sie in Verhandlungen und das mit dem Publikum vorstellen, hat sie sich überlegt bis zu ihrem nächsten, ganz grossen Film, den sie jetzt in ihrer eigenen Gesellschaft fertig gestellt hat und von dessen Mühsalen sie sich so eben erholt. Und zwischendurch spricht sie wieder von etwas an derem, von ihrer Mutter, die eine berühmte amerikanische Opernsängerin war und die sie über alles liebt, von ihrem schönen, feder leichten, französischen Auto, mit welchem sie waghalsige Partien unternimmt, von ihrer Freundin Maria Orska, von Henry Porten, in deren nahester Nähe sie ihre Wohnung hat, von ihren Plänen und ihrer Arbeit. Es ist ein fortwährendes Gedankenwechseln und Gedankenspringen man fühlt, man steht hier einer starken Persönlichkeit gegenüber, alles, was sie sagt, ist von ihrer Eigenart durch drungen und es ist interessant, zu hören, wie sie manche Dinge auffasst und beurteilt. Trotzdem es ihr vielleicht nicht recht sein wird, dass ich das alles hier wiedergebe, erzähle ich es doch meinen Lesern und betone nochmals, dass ich in Fern Andra einen ganz einfachen, wertvollen Menschen gefunden habe, voll schöner, edler Persönlichkeit. Ich glaube, sie wäre eine fabelhafte Studie für einen expressionistischen Maler, nur er könnte vielleicht ihrer Seele nahekommen und die wirkliche Fern, wie sie in ihren vier Wänden ist, mit dem berühmten Star Fern Andra in eines vereinen. Jetzt ist sie wieder fortgereist und hat mir nur die angenehme Erinnerung an eine geistreich verplauderte Stunde zurückgelassen.

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