Kapelle St. Jakob

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Die Kapelle St. Jakob (auch Jakobskapelle oder Rathauskapelle genannt), war eine romanische Kapelle auf dem Jakobsplatz (dem heutigen Unteren Hauptmarkt) in Gotha.

Geschichte

Über die Erbauungszeit der Kapelle liegen keine schriftlichen Überlieferungen vor. Archäologische Funde der Fundamente des Turmes deuten jedoch auf eine Errichtung in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhundert hin. [1] Es ist durchaus möglich, dass der Turm von St. Jakob zunächst als massiver Wacht- und Schutzturm innerhalb der ersten einfachen Stadtmauer [2] errichtet und erst später um ein Kirchenschiff erweitert wurde. Ebenso ist es möglich, dass St. Jakob als damals typische romanische Chorturmkirche errichtet wurde, die aus einem kleinen Kirchenschiff plus Chorraum mit Apsis bestand, über dem sich direkt der nach Osten ausgerichtete Turm auf quadratischer Basis erhob. Die ersten Abbildungen von St. Jakob finden sich auf Stichen von der Belagerung Gothas im Jahre 1547. Deutlich erkennbar ist darauf der auf der Ostseite des Jakobsplatzes (südlich des damaligen Kaufhauses) stehende Turm, an dessen Westseite ein von Nord nach Süd ausgerichtetes Kirchenschiff mit Satteldach anschließt. Da der Jakobsplatz vom Turm aus in gerader Linie nach Westen hin eine deutliche Ausbuchtung besitzt, liegt der Schluss nahe, dass das ursprüngliche romanische Kirchenschiff (typischerweise stets von Ost nach West ausgerichtet) später durch das 1547 zu sehende ersetzt wurde. Nach 1547 und der zweiten Belagerung Gothas 1566/67 wurden Kirchenschiff und alter Turm von St. Jakob abgebrochen und durch einen Neubau aus Sandstein ersetzt. Der neue, höhere Turm von St. Jakob wurde, wie ein um 1590 entstandener Stich der Belagerung 1566/67 von Heinrich Göding zeigt, auf der Westseite des Jakobsplatzes im Stil der Renaissance errichtet (aus behauenem Seeberger Sandstein, wie archäologische Grabungen im Jahre 2018 ergaben). An ihn schloss sich nach Osten hin ein Kirchenschiff mit Satteldach und Apsis an. Da während der Belagerung Gothas im Zuge der Grumbachschen Händel vom Turm von St. Jakob „mit Hacken und Stücken“[3] (d.h. mit Hakenbüchsen und wohl kleineren, leichten Kanonen, z.B. Serpentinells) auf die Belagerer geschossen worden war, musste der Turm nach Übergabe der Stadt an die siegreichen Belagerer abgebrochen werden. Laut Caspar Sagittarius wurde dieser im März 1568 abgebrochen – ein halbes Jahr nach Schleifung der Feste Grimmenstein.[4] Ob tatsächlich ein Abbruch der gesamten Kapelle angeordnet worden war oder zunächst nur der Abbruch des Turmes (bei dem dann das Kirchenschiff aus Versehen mit zerstört wurde), ist nicht klar. Das Abbruchmaterial von St. Jakob wird mit Sicherheit beim Wiederaufbau zerstörter Häuser rund um den Jakobsplatz Verwendung gefunden haben. Die Fundamente wurden wahrscheinlich bereits beim Bau des neuen Kaufhauses (dem heutigen Rathaus) im Jahre 1570 überdeckt und der Standort des alten romanischen Turms scheint sehr bald in Vergessenheit geraten zu sein. Bereits Friedrich Rudolphi erwähnt 1716 nur noch die Lage der Kapelle („Diese Capelle ist gelegen gewesen zwischen dem jetzigen Rath-Hause und dem Gast=Hoffe/zur Schellen genandt …“[5]), ohne jedoch darauf einzugehen, dass es einen alten und einen neuen Turm gab.

Namensgebung

Die von Kiew nach Paris verlaufende mittelalterliche Handelsroute Via Regia, an der Gotha liegt, war seit dem 10. Jahrhundert auch ein bedeutender Arm des Jakobsweges. Der Bau einer dem Schutzpatron der Pilger, dem Heiligen Jakobus dem Älteren, geweihten Kapelle in der Stadt liegt daher nahe. [6] Auch die Namensgebung des gesamten Platzes als Jakobsplan (bzw. bis ins 19. Jahrhundert hinein Jakobsplatz) deutet auf die Bedeutung der Kapelle als Station für Pilger hin.

Archäologische Grabungen 2018/19

Im Jahre 2018 wurden bei Grabungen des Thüringer Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege auf der Westseite des Unteren Hauptmarktes in etwa einem Meter Tiefe unter dem heutigen Platzniveau in gerader Linie verlaufende behauene Sandsteinquader entdeckt, die von Kalksteinpflaster aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts umgeben sind. Der komplette Verlauf der in das Pflaster eingebetteten Quader wurde seinerzeit jedoch nicht weiter verfolgt, da die Archäologen des TLDA diese für zu modern hielten, um Teil der aus romanischer Zeit stammenden Kapelle und Turm zu sein. Weitere Grabungen stehen derzeit (Stand: Dezember 2019) noch aus.

Laut dem Historiker Jens Geutebrück sind diese Quader jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit Teile des Fundaments des neuen, renaissancezeitlichen Turmes von St. Jakob oder dessen Kirchenschiff, wie sie auf dem Stich Heinrich Gödings von der Belagerung 1566/67 zu sehen sind. Geutebrück lokalisierte anhand alter Beschreibungen und Stiche im September 2018 die wahrscheinliche Lage des alten, auf der Ostseite des Jakobsplatzes stehenden Turmes von St. Jakob. Am 7. November 2019 wurden auf der Ostseite des Unteren Hauptmarktes bei Bauarbeiten in etwa einem Meter Tiefe unter der aktuellen Pflasterung tatsächlich Teile des Fundaments des ursprünglichen romanischen Turmes von St. Jakob entdeckt – etwa in dem Areal, das Geutebrück zuvor als möglichen Standort des alten Turmes identifiziert hatte. Erhalten waren die aus unbehauenen Kalksteinen gemauerte Südseite sowie die Ostseite des Turmes, wobei an letzterer die Ansätze einer nach Osten ausgerichteten Apsis erkennbar waren. Die Befunde deuten auf eine Turmbasis von etwa 7 mal 7 Metern hin, wobei die Mauern eine Stärke von bis zu 1,70 Metern aufweisen. Das die Grabungsfunde untersuchende Thüringer Landesamt für Denkmalpflege datierte die Fundamente in das 13. Jahrhundert und deutete sie nicht als Basis eines Turms, sondern lediglich als jene einer kleinen Kapelle. Sowohl dieser Datierung als auch Deutung widerspricht Geutebrück. Zum einen negiere das TLDA alle älteren Stadtansichten, welche an ebenjener Stelle des Jakobsplatzes / Unteren Hauptmarktes eindeutig einen Turm zeigen. Zudem hält er den Bau einer Kapelle mit derart massiven Mauern in der Südostecke des bereits im 10. Jahrhundert komplett umbauten Jakobsplatzes erst im 13. Jahrhundert für unwahrscheinlich. Der Verlauf des im Dezember 2019 wieder überdeckten Fundaments des alten Turmes von St. Jakob soll bei der geplanten Neupflasterung des Hauptmarktes im Pflaster sichtbar dargestellt werden.

Sonstiges

Ein Hinweis auf den ursprünglichen, auf der Ostseite des Jakobsplatzes stehenden romanischen Turm von St. Jakobs findet sich bis heute am Nordportal des Alten Rathauses. Bei dessen Gestaltung im Stil der Renaissance im Jahre 1574 wurde über dem Rundbogen folgender Spruch eingefügt:

ALS MANN ABBRACH DENN ALTEN DVRM DARAHN STVND DIS LAMB VND LINDWVRM + DAS LAMB DIE GOTTEN GEFVRT IN IHREN FAHNEN IN FRIEDENS ZEITENN : DEN LINDWURM ABER WIDER IHREN FEIND IN KRIEG VND STREITEN :

Links und rechts unterhalb des Reimes flankieren die renaissancezeitlichen Halbreliefs eines Agnus Dei und eines Drachen mit Menschenkopf im Maul das Rathausportal und erinnern daran, dass offensichtlich am alten Turm von St. Jakobs diese beiden christlichen Symbole (möglicherweise als Reliefs in einem oder auch zwei Tympana) zu finden waren. Ob diese beim Abbruch des alten Turmes als vermeintliche Symbole der Goten (die man seinerzeit als Namensgeber Gothas ansah) zunächst gerettet und als Spolien in den neuen Turm oder das neue Kirchenschiff von St. Jakob integriert wurden (und die dann beim endgültigen Abbruch 1568 zerstört wurden), ist unklar.

Literatur

  • Rothe, Johann: Düringische Chronik, Eisenach 1421
  • De Siegen, Nicolaus: Chronicon ecclesiasticum, Erfurt 1494
  • Myconius, Friedrich: Chronika, Gotha 1542, Cap. XVI. p. 102
  • Sagittarius, Caspar: Memorabilia Historiae Gothanae, Gotha 1689, Cap. XI p. 100
  • Sagittarius, Caspar: Historia Gothana, Jena, 1701-1716, Cap. XI. p.245
  • Tentzel, Wilhelm Ernst: Historia Gothana, Suppl., 1702, S. 43
  • Gregorii, Johann Gottfried: Das erneuerte Alterthum, Frankfurt 1713
  • Rudolphi, Friedrich: Gotha Diplomatica, Gotha 1716, Band 3, Cap. IX. p. 61
  • Mörlin, Johann Gottfried: Ehrengedächtnis auf Friedrich II. (VIRI PERILLVSTRES ATQVE EXCELLENTISSIMI...), Gotha 1732, p. 361
  • Madelung, Friedrich Wilhelm: Beyträge zur Erläuterung und Ergänzung der Geschichte der Stadt Gotha, Gotha 1767, Cap. 1 p. 5, 14
  • Galletti, Johann Georg August: Geschichte und Beschreibung des Herzogthums Gotha, Band 3, Gotha 1780, p. 249
  • Galletti, Johann Georg August: Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen von der gothaischen Linike des Ernestinischen Hauses, Gotha 1826, p. 151
  • Rathgeber, Georg: Beschreibung der Herzoglichen Germälde-Gallerie zu Gotha, Gotha 1835, p. 204
  • Hochgesang, Johann Adam Friedrich: Der kirchl. Zustand in Gotha zur Zeit der Reformation, Gotha 1841, p. 26
  • Schulze, Christian Ferdinand: Leben des Herzogs von Sachsen-Gotha und Altenburg Friedrich II., Gotha 1851, p. 200
  • Möller, Johann Heinrich: Klöster in Gotha, II. Augustinerkloster, Gotha 1861, S. 273
  • Schlegel, XXX, Chron. Gotha, Gotha 1867, S. 15, 98
  • Ortloff, Friedrich: Geschichte der Grumbachischen Händel, Jena 1869
  • Beck, August: Geschichte Gothas, Gotha 1870, Cap. 6 p. 226
  • Werneburg, Albert: Die Verwaltung Thüringens bis zur Zeit der Landgrafen, Erfurt 1894
  • Berbig, Max: Aus dem Tagebuche eines fahrenden Schülers, Gotha 1903, p. 19
  • Heß, Heinrich: Der Bau der Margarethenkirche in Gotha, Gotha 1904
  • Frommann, Friedrich: Thüringische Geschichtsquellen, Jena 1909, p. 10, 15, 277
  • Devrient, Ernst: Die Anfänge des Kreuzklosters und die Pfarrkirchen zu Gotha, Jena 1909, p. 423 - 434
  • Heß, Heinrich: Die Entstehung von Gotha als Stadt und die Margarethenkirche als Stadtkirche, Gotha 1911
  • Kohlstock, Karl: Entdeckungsreisen in der Heimat, Gotha 1926, 2:20, 4:34, 4:4; 12:16
  • Schmidt, Kurt: Gotha. Das Buch einer deutschen Stadt, Gotha 1931, S. 15, 116, 118, 132, 154, 234
  • Schmidt, Kurt: Gotha. Das Buch einer deutschen Stadt, Gotha 1938, S. 31, 48, 50, 58
  • Patze, Hans: Die topographische Entwicklung der Stadt Gotha im Mittelalter, Gotha 1955, p. 1-10
  • Roob, Helmut: Grumbach‘sche Händel, Gotha 1966
  • Roob, Helmut: Folgen der Grumbach‘schen Händel, Gotha 1967
  • Schnabel, Dieter: Ritter Wilhelm von Grumbach: Eine mainfränkisch-sächsisch-thüringische Tragödie, Gotha 2000


Holz und Kupferstiche

  • Unbekannter Stecher: Gotta (Gota), 1547, (Holzstich)
  • Unbekannter Stecher: Disegno della fortezza et citta di Gotta in Sassonia, Italien 1547 (Holzstich)
  • Göding, Heinrich: Die Belagerung der Stadt Gotha und des Schlosses Grimmenstein im Jahre 1567, Dresden um 1590, (Kupferstich)
  • Poppe, Martin: Die Belagerung der Stadt Gotha und des Schlosses Grimmenstein im Jahre 1567, Gotha 1568, (Kupferstich)

Einzelnachweise

  1. Für eine Erbauung zwischen 950 und 1000 spricht auch, dass bereits 1064 die Margarethenkirche erwähnt wird, die bei der Erweiterung Gothas nach Osten hin auf dem Neumarkt als größere romanische Doppelturmbasilika errichtet worden war.
  2. Die erste Stadtmauer erhielt Gotha unter Abt Meingoth von Hersfeld im Jahre 950.
  3. Friedrich Rudolphi: Gotha Diplomatica, Band 3, Caput IX, 64tes Blatt
  4. Caspar Sagittarius: Cap. XI. p.246, "Soluta obsidione anno CIƆIƆLXVIII. turris S. Iacobi fuit diruta."
  5. Friedrich Rudolphi: Gotha Diplomatica, Band 3, Caput IX, 64tes Blatt
  6. Die ursprünglich ebenfalls romanische Jakobskirche in Weimar steht auf dem Jakobshügel und hat ihre Benennung explizit nach dem heiligen Jakobus erhalten, da auch Weimar an der Via Regia und damit am Jakobsweg liegt.

Urheberrechtshinweis

Das Copyright an dieser Expertise liegt bei Andreas M. Cramer, Gotha und Jens Geutebrück, Hörselgau.

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