Maria Cranach, eine vierte Tochter Lucas Cranachs d. Älteren

Aus www.gotha-wiki.org/
Version vom 9. Oktober 2022, 14:46 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „Ein Beitrag von Rudolf W.L. Jacobs In den Veröffentlichungen zum Lucas-Cranach-Jahr 1994 mit seinen verschiedenen Ausstellungen auf der Wartburg, in Gotha u…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Beitrag von Rudolf W.L. Jacobs

In den Veröffentlichungen zum Lucas-Cranach-Jahr 1994 mit seinen verschiedenen Ausstellungen auf der Wartburg, in Gotha und vor allem in Kronach, mit der dortigen Landesausstellung, um nur einige zu nennen, wird eine Tochter Maria von Lucas Cranach d. Ä. nicht erwähnt. In den Beiträgen des Gero v, Wilcke zur Genealogie der Cranachiden[1] wird eine Maria Cranach aufgeführt, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen[2]. Anschließend folgt eine Aufstellung ihrer Nachkommen. Wie kommt es zu der Behauptung der Existenz einer vierten Tochter von Lucas Cranach und der Abstammung von ihr? Verschiedene ältere Biographen ziehen die Existenz einer weiteren Tochter in Erwägung, verwerfen diese These jedoch gleich wieder mangels von Belegen[3].

Nun existiert aber eine gedruckte Leichenpredigt auf Maria geborene Schneidewein, Witwe des Hauptmanns Johann Georg Springsfeld, die am 3.8.1633 in Altenburg (Thür.) starb. Verfasser ist M. Jacob Freiesleben, Archidiaconus ebd. Gedruckt wurde sie bei Otto Michael im Jahr 1637. Dort lautet die in Frage kommende Stelle:

"Ihre Mutter ist gewesen die Erbare und VielEhrentugendreiche Fraw Euphrosyna, des Ehrenvehsten Achtbarn und Kunstreichen Herrn Lorentz Kreichen, welcher der Durchlauchtigen Hertzoge zu Sachsen Apotecker in die 36 Jahr gewesen, Eheleibliche Tochter. Die Großmutter aber die Erbare und VielEhrentugendsame Fraw Maria Cranachin, des Ehrenvehsten und Kunstreichen Herrn Lucae Cranachs, des weitberühmbten Kunstmahlers, so tempore B. Lutheri gelebet, Eheleibliche Schwester"[4].

Ob hier nun die Schwester Lucas Cranachs d. J., der ja auch zur Zeit Luthers gelebt hat, oder mit dem weitberühmten Kunstmaler, Lucas d. Ä. gemeint ist, ist für die Abstammung unerheblich. Im letzteren Falle müsste Eheleibliche Schwester eine Verschreibung für Eheleibliche Tochter sein, wozu das Eheleibliche auch besser passen würde. Im übrigen ist eine Schwester Maria von Lucas Cranach d. Ä, nicht nachweisbar, auch würden die bekannten Daten nicht zu einer Schwester von Lucas d. Ä. passen[5].

Wie glaubwürdig sind nun die Angaben der Leichpredigt auf Maria Springsfeld geb. Schneidewein? Zu deren Familie stand der Verfasser M. Jacob Freiesleben in enger Beziehung. Ein Dr. iur. Johann Freiesleben, Hofgerichtsadvokat in Altenburg (1648-1670), heiratete 1648 Regina Froberger, Witwe des Dr. iur. Georg Heinrich Springsfeld, eines Sohnes der Probandin[6]. Unter der Kanzel des Archidiaconus Jacob Freiesleben saß beim Gedächtnisgottesdienst mit Sicherheit auch dessen Vorgesetzter, der Altenburger Generalsuperintendent D. theol. Aegidius Hunnius d. J. als Schwiegersohn der Verstorbenen. Er hatte Altenburg 12.3.1633 deren Tochter Susanna Sybilla Springsfeld geheiratet[7]. Diese Verwandten hätten jede falsche Angabe in der Leichpredigt leicht berichtigen können, zumal die Predigt nicht sofort, sondern erst vier Jahre später 1637 im Druck erschienen ist.

Um die Lebensdaten der Maria Cranach in etwa eingrenzen zu können - es gibt von ihr keine unmittelbaren Daten - müssen wir nach ihrem in der Leichenpredigt genannten Ehemann Lorenz Kreich fragen. Sein gesichertes Datum ist das von seinen Sohn in den Neubürgerlisten eingetragene Sterbedatum: Tiefurt bei Weimar 11.1.1592, 73 J. alt. Sein Geburtsjahr ist demnach mit 1518 anzunehmen[8]. Er erbte 1556 die väterliche Apotheke in Torgau. Im gleichen Jahr heiratete er als Witwer (II.) Weimar 28.1.1556 eine Tochter des Weimarer Goldschmieds Jacob Zoberer[9]. Nur ihr, nicht Maria Cranach[10], kann der Weimarer Begräbniseintrag, 4.4.1618, gelten: Bauschreiber Joachim Kreichs Mutter. Letzterer ist als Sohn des Lorenz Kreich nachgewiesen[11]. Lorenz Kreich war seit 1.9.1567 privilegierter kursächsischer Apotheker am Markt in Weimar[12]. Er erhielt am 14.3.1578 das Weimarer Bürgerrecht[13]. In der Liste der Kommunikanten der Stadtkirche St. Petri et Pauli in Weimar ist er 1585-1589 zu finden. Maria Cranach müsste daher vor 1556, dem Jahr der II. Eheschließung ihres Mannes, gestorben sein, wahrscheinlich noch in Torgau. Kurz vorher, etwa 1554, könnte ihre Tochter Euphrosyne Kreich in Torgau geboren sein, welche Weimar 27.8.1582 mit dem dortigen Ratskämmerer Heinrich Schneidewein getraut wurde. Da dieser als Witwer sich am 5.5.1589 wiederverheiratete[14], dürfte Euphrosyne 1588 gestorben sein.

Wie ist Maria Cranach in die belegbaren Daten der bekannten Kinder des Lucas Cranach d.Ä. einzuordnen? Eine mit Vornamen nicht genannte Tochter heiratet Wittenberg 2.3.1537 einen Mann unbekannten Namens[15]. 1541 wird eine Tochter Cranachs als Witwe bezeichnet[16]. Die Männer der drei anderen Töchter, Barbara, Anna und Ursula, leben noch bzw. haben noch nicht geheiratet[17]. Es kann sich bei dem Ehemann einer Cranach-Tochter, welcher 1541 tot ist, auch nicht um Lorenz Kreich handeln, denn dieser stirbt erst 1592, 73 J. alt. Es muss sich also bei der Witwe von 1541 um dieselbe Tochter handeln, die 1537 heiratet.

Es kann sich hier entweder um eine erste Ehe einer der drei bisher bekannten Töchter handeln oder ebenso gut um eine erste Ehe der bisher unbekannten Tochter Maria. Zumindest kann man daraus, dass in der Cranach`schen Stammtafel des Mathias Gunderam von 1556[18] keine weitere Tochter und kein weiterer Schwiegersohn erwähnt werden, nicht zwingend schließen (so Lindau und Schuchardt), dass eine der drei bekannten Töchter zweimal verheiratet gewesen sein müsse. Das Gunderam 1556 die Maria nicht erwähnt, ist damit zu erklären, dass diese bereits tot war und der Witwer wieder verheiratet, Ferner ist zu bedenken, dass bei keiner der drei bisher allein bekannten Cranach-Töchter erwähnt wird, dass sie bei ihrer Heirat bereits Witwe(n) gewesen wären, wie das bei Traueinträgen von Witwen in den kirchlichen Ehebüchern üblicherweise gehandhabt wurde, nämlich, dass nur der Witwenname, aber nicht der Geburtsname angegeben wurde.

Alles deutet darauf hin, dass es sich bei der Heirat einer ungenannten Cranach-Tochter 1537 um Maria Cranach gehandelt haben wird, die dann 1541 Witwe wird und nach 1541 eine I. Ehe mit dem Apotheker Lorenz Kreich in Torgau eingeht. Ihre Lebensdaten wären dann wie folgt zu erschließen:

Maria Cranach, * (Wittenberg) ca. 1517, + (Torgau) vor 1556; verehelicht (I.) Wittenberg 2.3.1537 N. N., dieser + vor 1541. Über Kinder dieser Ehe vgl. Schuchardt (S. 149): Durch die Erziehung ihrer Kinder macht sie der Mutter und dem Vater Ehre (Dist. 127 f.); verehelicht. (II.) (Wittenberg) nach 1541: Lorenz Kreich, Apotheker in Torgau, ab 1566 in Weimar, * (Torgau) 1518/19, + Tiefurt bei Weimar 11.1.1592, 73 J. alt (er verehelicht II. Weimar 28.1.1556 eine Tochter des Goldschmieds Jacob Zoberer in Weimar, welche 4.4.1618 dort begraben wird als Bauschreiber Joachim Kreichs Mutter).

Ein Kind, für das in der Leichpredigt von 1633 (gedruckt 1637) Maria Cranach als Mutter angegeben wird ist[19] Euphrosyne Kreich, * (Torgau) ca. 1554, + (Weimar) 1587/88; verehelicht Weimar 27.8.1582 Heinrich Schneidewein, Ratskämmerer in Weimar, * (Wittenberg) 1550, begraben Weimar 6.6.1620 (Sohn des Prof. Dr. iur. Johann Schneidewein in Wittenberg, Hausgenosse Luthers und zu Luthers Häupten in der dortigen Stadtkirche begraben, und der Anna Döring). Heinrich Schneidewein verehelich II. Anna verwitwete Leber, geborene Mulbach.

Es ist zu hoffen, dass in der künftigen Cranach-Literatur und -Genealogie von der Cranach-Tochter Maria Kenntnis genommen wird. Die Leichpredigt ihrer Enkelin bot mir den Anlass, mich mit dem Thema zu befassen und ich hoffe, dass meine Beweisführung auch von kritischen Genealogen akzeptiert werden kann.

Einzelnachweise

  1. Gero v. Wilcke, Nachkommen Lucas Cranach d.Ä., Genealogie 1972-1976. Ders., Lucas Cranach d.Ä. - Zu seinem 500. Geburtstag, in: Archiv für Sippenforschung, 1972. 5. 481ff.
  2. v. Wilcke, a.a.O., 1972,S. 314. Buchstabe f.
  3. Schuchardt, Christian, Lucas Cranach des Aelteren Leben und Werke, Erster Theil, Leipzig 1851: "In einem weiter unten beim Jahre 1541 mitgeteilten Gedicht von Johann Richius auf den Tod von Cranachs Gattin wird von einer der Cranachschen Töchter (Distichon 125) gesagt; "Nam quae nupta fuit nunc est viduata marito." Danach war dieselbe 1541 Witwe. Cranach hatte also entweder vier Töchter oder eine derselben war, nach Verlust ihres ersten Mannes, in zweiter Ehe an einen der bekannten Schwiegersöhne verheirathet" (S.84). "Es bleibt also nichts übrig, als anzunehmen. dass Cranach entweder noch eine vierte Tochter hatte, oder dass Caspar Pfreund die 1541 schon verwitwet gewesene Tochter ehelichte” (S. 85). Lindau, M.B., Lucas Cranach. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Reformation. Leipzig 1883. 8.291. Warnecke. F., Lucas Cranach der Ältere. Beiträge zur Geschichte der Familie von Cranach, Görlitz 1879, S. 9.
  4. Stolberger Leichenpredigtsammlung Bd. IV, Nr. 2308 und in Sammelband von Leichenpredigten des M. Jacobus Freiesieben, Ratsbibliothek Altenburg/Thür. Veröffentlicht in Faksimile bei Gero v. Wilcke, Archiv für Sippenforschung, 1972, S.485, mit der falschen Druck-Jahreszahl "1620" statt 1637; im dazugehörigen Text steht die falsche Jahreszahl "1663" statt 1633 für das Sterbejahr! Die Leichenpredigt wurde zuerst veröffentlicht in: Walther Tröge, Maria Cranach, eine bisher unbekannte 4. Tochter Lucas Cranach d.Ä., in: Thür. Bauernspiegel, 10. Jg. 1933, S. 236-238.
  5. Grimm, Claus, u.a., Lucas Cranach. Ein Maler-Unternehmer aus Franken. Katalog zur Landesausstellung Kronach 1994: Elisabeth Schepers, Die Maler von Kronach, S. 44.
  6. v. Wilcke, a.a.O., 1972, S. 315.
  7. Ebd.
  8. Wolfgang Huschke, Die Neubürger der Stadt Weimar 1520-1620, Neustadt/Aisch 1973, S. 104. Nr. 2053.
  9. Mitteldeutsche Familienkunde (MFK) 1976-1978, S. 260, 28.1. statt 27.1, da Schaltjahr.
  10. v. Wilcke, a.a.O., S. 314, schließt aus dem Weimarer Begräbniseintrag vom 15.11.1615 ”die alte Apothekerin” fälschlicherweise auf die I. Frau des Lorenz Kreich
  11. Huschke, a.a.O. S. 119, '"Kreich, Jochim, "frater" (d.h. des Stadtschreibers Johann Kreich)", Nr. 2408 und 3179.
  12. Gero v. Wilcke, Archiv für Sippenforschung, 1972, S.492.
  13. Huschke, a.a.O., S. 104.
  14. Huschke, Wolfgang. Die Ratslisten der Stadt Weimar von 1348-1810, Neustadt a. d. Aisch 1986, S. 115f.
  15. Schuchardt, a.a.O., S. 84f., Anm. 2.
  16. Ebd.
  17. Werner Schade, Die Malerfamilie Cranach, Dresden 1974, S.454 f.
  18. Claus Grimm, a.a.O., S. 45; Müller, Nikol., Die Funde in den Turmknäufen der Stadtkirche zu Wittenberg, Magdeburg 1912, S. 31. Hier heißt es: "nupta“; Maria konnte nicht mehr als "nupta" bezeichnet werden.
  19. Alle anderen bei v. Wilcke, a.a.O., aufgeführten Nachkommen der Maria Kreich geb. Cranach, sind keine Cranachiden, da sie aus der 2. Ehe des Lorenz Kreich abstammen, außer Conrad Kreich aus Torgau und der Stadtschreiber Johann Kreich, der übrigens am selben Tag wie seine Schwester Euphrosyne heiratet, also älter als diese gewesen sein muß. S. v. Wilcke, a.a.O., S. 314ff.

Urheberrechtshinweis

ARCHIV DER SCHLESWIG-THUERINGISCHEN FAMILIE JACOBS Werkverzeichnis Gothaer Hofmaler Paul Emil JACOBS http://blog.familienarchiv-jacobs.de/ Deutsches Geschlechterbuch (DGB), Bd. 214, S. 267-946 Pastor Rudolf W. L. Jacobs, Friedrich-Ebert-Str. 43,   D - 59425 Unna, Tel. 02303 158 52 e-mail: rwljacobs@aol.com