Prof. Dr. Hermann Hoffmann

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Prof. Dr. Hermann Hoffmann (1878–1972) im Jahre 1967. © Archiv Geutebrück

Ein unveröffentlichter Artikel von Georg Schmitt-Glatz

Zum 80. Geburtstage 1958 - Ein Stück schlesischer Kirchengeschichte

Am 14. Juli 1958 feiert Professor Hermann Hoffmann, der weit über Schlesiens und Deutschlands Grenzen hinaus bekannte, als ehemaliger Religionslehrer am Breslauer St.-Matthias-Gymnasium von seinen Schülern hochverehrte und als Gelehrter, Redner und Schriftsteller weithin geschätzte Priester, seinen 80. Geburtstag.

Ein Rückblick auf sein reich gesegnetes Leben rollt ein Stück schlesischer Kirchen- und Kulturgeschichte auf und führt in die Anfänge der katholischen Jugendbewegung zurück, die der Jubilar wesentlich mitgeformt hat.

Wenn im folgenden versucht werden soll, ein Lebensbild Hermann Hoffmanns zu zeichnen, dann mögen die Zeilen ein bescheidener Dank an den einstigen Lehrer und väterlichen Freund sein, der er mir und unzähligen seiner Schüler gewesen ist. Eine Fülle schöner Erinnerungen steigt herauf, angefangen von den Jahren, da, ich in seinem Breslauer Heim in seiner großen Bibliothek herumwandeln durfte, bis zu den Spaziergängen und Begegnungen, die mich mit ihm später in seiner Heimatstadt Glogau zusammenführten.

Es war die Zeit, wo der deutsche Katholizismus die von Peter Wust geforderte „Rückkehr aus dem Exil“ angetreten hatte und in einer Festschrift für Karl Muth, den Begründer der führenden katholischen Zeitschrift „Hochland“, die Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland gefeiert wurde. In diese Zeit des religiösen Erwachens fällt das Wirken und Schaffen vor, Professor Hermann Hoffmann.

Er wurde am 14. Juli 1878 in Glogau an der Oder geboren, wo er das katholische Gymnasium besuchte, an dem er 1898 die Reifeprüfung bestand. In Breslau studierte er Theologie, klassische Philologie und Geschichte. Am 23. Juni 1902 wurde er von Kardinal Kopp zum Priester geweiht und war von 1902 bis 1903 Kaplan in Naumburg am Queis bei dem Erzpriester und späteren Propst von St. Hedwig in Berlin, Dr. Karl Klein-eidam. Von 1903 bis 1906 wirkte er in Liegnitz als Kaplan an der: St.Johannes-Kirche und von 1906 bis 1907 als Kuratus im St.-Antonius-Kloster der Elisabethinerinnen zu Breslau, Antonienstraße 24.

Im Februar 1907 legte er die Religionslehrerprüfung ab und wurde Ostern 1907 an das St.-Matthias-Gymnasium berufen, wo er 20 Jahre lang als Religionslehrer wirkte, abgesehen von der Zeit seiner Teil- nahme am ersten Weltkrieg als Felddivisionspfarrer. 1916 wurde er zum Professor ernannt,

Von seinen vielen Auslandsreisen sei nur die Fahrt ins Heilige Land erwähnt, zu deren Vorbereitung ich ihm dicke Schweinslederbände aus der Breslauer Universitätsbibliothek ins Haus bringen durfte. Bei seiner Rückkehr aus Palästina trug Prof. Hoffmann einen langen Bart, weshalb wir ihn scherzhaft „Pope“ nannten.

Seit 1926 lebt er als Privatgelehrter und „federgewandter Kirchenhistoriker“ im Ruhestand, den er bis heute mit einer Fülle von Arbeiten auszufüllen wußte

Prof. Hermann Hoffmann war durch die Vielseitigkeit seiner Leistungen und Interessen, durch die Fülle seines Wissens, seine Weit- und Umsicht, seine Aufgeschlossenheit gegenüber allen Zeit- und Streitfragen der Gegenwart und durch das lebhafte Interesse, das er jeden seiner Schüler mit feiner psychologischer Einfühlungsgabe zu Teil werden ließ, ein hochgeschätzter und beliebter Lehrer. Seine Religionsstunden . waren fern von allem Schema und getragen von dem geheimnisvollen Fluidum seiner wirkungsvollen Persönlichkeit. Er kannte keine Pedantik. und war jedem verbrämten Philologentum abhold.

Sein lebensvoller Unterricht vermittelte eine gediegene religiöse Bildung und formte auch den inneren Menschen im Geist der Güte und des Verstehens. So freute man sich auf jede Religionsstunde. Er wußte sich überall da angerufen von seinen Schülern, wo es um die Probleme der Zeit ging. Er war stets offen gegenüber dem Göttlichen, unter dem sein ganzes Leben stand. Nie trug er seine tiefe Frömmigkeit zur Schau und zog an durch die franziskanische Einfachheit und Güte seines Lebensstils und durch das stille Lächeln, das ihm eigen war. Professor Hoffmann ist ein Priester, der „jung“ geblieben ist im Sinne Eichendorffs und ein Gefühl hatte für die ursprüngliche Freiheit und die Unendlichkeit der Lebensaufgabe.

Handschriftliche Signatur Prof. Dr. Hermann Hoffmann`s aus 1952. © Archiv Geutebrück

So hat ihn sein Weg frühzeitig in die katholische deutsche Jugendbewegung geführt, der er mit seinen Büchern „Über Schülerwandern“ (1914) und „In Freuden wandern“ (1918) das Tor erschlossen hat. Er spürte das Neue, das sich hier in der Jugend regte, und er fand den Weg, den man gehen mußte.

Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gleichgesinnten in einem einfachen, frohen, zuchtvollen Jugendleben führte 1909 u. a. in Neiße, Paderborn und Frankfurt zur Bildung von Gruppen, die sich unter Anregung und Förderung Erwachsener ein frohes, naturnahes Jugendieben gestalten wollten.

So ging aus den abstinenten Schülerzirkeln an den Gymnasien der „Quickborn“ ‚hervor, ‚der in Neiße aus der‚ alkoholgegnerischen Arbeit von Dr. Strehler und Prof. Clemens Neumann entstanden ist. Der Name „Quickborn“ wurde von einem Neiße Konviktoristen, dem späteren Medizinalrat Zimmermann, gefunden.

Am 1. April 1913 erschien das erste Heft der von Präfekt Strehler geleiteten Monatsschrift „Quickborn“ zur Pflege der Nüchternheit für die kath. Jugend auf höheren Schulen.

Schon am 17. Mai 1914 konnte der Quickborngautag der Schlesier in Neiße gehalten werden. Hier stand der Spielmann Clemens Neumann schon an hervorragender Stelle dieses frühlingsfroh erwachenden Jugendlebens im „schlesischen Rom". Seine Fidel regierte.

Der „Quickborn“ wurde bald die beste Antwort .der kath. Jugend auf den unvergessenen Ruf von Bischof Keppler „Mehr Freude“, den er in seinem 1909 als Ostergruß erschienenen Buch gleichen Namens in eine leere, freudenarme Welt hinausschickte und damit dem christlichen Leben eine neue beschwingte Note gab.

Bald näherte sich „Quickborn“ der Jugendbewegung mit dem Versuch selbständiger Lebens- und Kulturgestaltung in freier Gemeinschaft. Es war der Protest gegen die „konventionelle Verlogenheit“ der bürgerlichen Gesellschaft. Auch die kath. Jugendbewegung wurde zu einem lauten Protest gegen die Oberflächlichkeit und Seelenlosigkeit des im Materialismus versunkenen modernen Lebens.

1919 erwarb Prof. Clemens Neumann die auf einem waldigen Felsen am Rande des Spessarts gelegene Burg Rothenfels am Main von dem Fürsten Alois von Löwenstein und baute sie unter ungewöhnlichem persönlichem Einsatz - zum Teil mit eigener Hand - als Jugendherberge und Sitz der Bewegung aus. So konnte bereits 1919 auf Burg Rothenfels der erste deutsche Quickborntag gefeiert werden, ein Pfingsten neuerwachenden katholischen Geistes, wobei man an das Wort Eichendorffs denken mußte: „Wo ein Begeisterter ist, da ist der Gipfel der Welt“.

Wie war es anders denkbar, daß auch Prof. Hermann Hoffmann, der gleich Strehler die Jugend in Breslau um sich gesammelt hatte, um in ihren Reihen echte Ideale zu entzünden, in diesen Strom erwachenden Lebens im „Quickborn“ hineingerissen wurde.

Ziel und Richtung für das Jugendleben auf der Burg, ein Stück neuerwachter Romantik, gab das Wort Guardinis: „Wenn ihr der Wahrheit des Glaubens mächtig werden wollt, dann dürft ihr nicht mit unbeteiligtem Blick auf sie schauen, sondern müßt handelnd in sie eintreten, dann erst wird sie sich erschließen.“

Neben dem Lehrer und Erzieher der Jugend, dem Redner und Prediger, - wer erinnerte sich nicht gern an seine Predigten bei den sonntäglichen Gottesdiensten in der Gymnasialkirche von St. Matthias, die das Evangelium in einer neuen Sprache verkündeten, wie sie Hermann Schell in seinem „Christus“ geschrieben hat - muß nun des Privatgelehrten und Schriftstellers gedacht werden. „Aus seiner Tätigkeit in der katholischen Abstinenzbewegung, in der auch der Arbeit des Glogauer Pröfessors Prälat Eugen Kretschmer gedacht werden muß; erwuchsen neben zahlreichen Aufsätzen und der Herausgabe der Zeitschrift „Sobrietas“ (1920-1927) die beiden grundlegenden Schriften „Alkohol und Erziehung“* (1913), und „Die Alkoholfrage und die kath. Kirche“ (1928).

Als Freund der ökumenischen Bewegung gab er 1906-1909 die Zeitschrift „Friedensblätter“ heraus, eine Fortsetzung des 1862 von der Konvertitin Julie von Massow gegründeten Psalmenbundes für die Wiedervereinigung der Christenheit im Glauben. Ähnlichen Zielen diente später die Zeitschrift „Heiland“, die Prof. Hoffmann von 1909 bis 1918 unter besonderer Mitarbeit von Joseph Kühnel redigierte. Als einziger kath. Priester nahm er 1925 an der ersten Weltkirchenkonferenz in Stockholm teil.

Durch seine langjährige Freundschaft mit Prof. Friedrich Wilhelm Foerster galt seine Arbeit auch dem 1919 in Frankfurt gegründeten „Friedensbund deutscher Katholiken“, weshalb er im Dritten Reich wegen seiner Völker- und Rassenverkündigung verfolgt wurde. Noch 1933 er- schien sein Buch „Die Kirche und der Friede“.

Eine große Rolle spielte Prof. Hoffmann auch in der liturgischen Bewegung, die er förderte, wo er konnte. Seine „Deutsche Passion“ nach den Worten des Evangelisten Johannes war in ganz Schlesien verbreitet und wurde in der Karwoche gern aufgeführt. 1934 erschien sein Buch „Das Jahr mit der Kirche“.

Sein 1934 gleichfalls in der Sammlung „Lebensschule der Gottesfreunde“ herausgegebenes Büchlein „Die heilige Hedwig“ ist heute zum Vademecum der kath. ostvertriebenen Schlesier geworden und 1948 bereits in 8. Auflage erschienen. Es ist wohl die beste Biographie der Schlesischen Landesmutter. Viel Freunde hat sich auch sein 1952 im St. Hedwigs-Werk erschienenes Büchlein „Helden und Heilige des deutschen Ostens“ erworben, das ein Stück heilige Heimat erschließt.

Mit größtem Fleiß hat sich Prof. Hermann Hoffmann der schlesischen Kirchengeschichte gewidmet. Eine unübersehbare Zahl von Aufsätzen aus diesem Gebiet ist in Zeitschriften und Zeitungen erschienen. Zu seinen großen historischen Arbeiten zählen an erster Stelle die Bücher über die Geschichte der Jesuiten in Schlesien, die ihm als „Jesuiten-Hoffmann“ den Ruf des besten Kenners der ostdeutschen Jesuitengeschichte verschafft haben. Unermüdlich hat er die Archive der Breslauer Universität und anderer Bibliotheken, der Kirchen und ehemaligen Klöster, studiert und uns von 1926 bis 1936 acht Bände schlesischer Jesuitengescbhichte geschenkt, über die Niederlassungen: Glogau (1926), Sagan (1928), Schweidnitz (1931), Brieg (1931), Dt. Wartenberg (1932), Hirschberg (1934), Oppeln (1934) und Glatz (1936).

Leider fehlt noch die Geschichte der Jesuiten von Breslau, über die nur Einzelaufsätze vorliegen. Auch die Geschichte des Liegnitzer Jesuitenkollegs steht noch aus. Über die „Schlesischen, mährischen und böhmischen Jesuiten in der Heidenmission” handelt das gleichnamige Werk aus dem Jahre 1939.

Von den zahlreihen Einzelbiographien von Mitgliedern der Gesellschaft Jesu in Schlesien handeln die Schriften: „Karl von Reinach, ein oberschlesischer Jesuit und Vertrauter Friedrich des Großen“ (1936) und „Joh. Nep. Köhler, der letzie deutsche Jesuit“ des 1776 in Schlesien aufgehobenen Ordens.

Weitere Arbeiten gelten der Breslauer Diözesangeschichte. So erschienen: 1931 „Kardinal Melchior von Diepenbrock und Herzogin Dorothea von Sagan“, ein Briefwechsel; 1931 „Franz Ludwig Pfalzgraf z. Rhein als Bischof von Breslau“; 1934 „Der Dom zu Breslau“; 1935 „Geschichte des Breslauer Alumnats“; 1941 „Die Breslauer Bischofswahlen in preußischer Zeit“.

1927 erschien sein Buch „Glogauer Bischöfe“, 1937 „Die Franzosenzeit in Niederschlesien 1896—14, ein Kriegstagebuch“ und 1939 „Das Hirschberger Pfarrbuch von 1521 des Stanis- laus Sauer“.

Gegenwärtig ist Prof. Hermann Hoffmann mit der Herausgabe der schlesischen „Chronica" des Breslauer Domherrn und Hirschberger Pfarrers Sauer (+1535) beschäftigt, eine überaus wertvolle Sammlung von Nachrichten zur schlesischen Geschichte, besonders zur Kirchengeschichte des Breslauer Bistums von 1469 bis 1526, wichtig als authentische Quelle zur Einführung und Entwicklung der Reformation in Schlesien. Die Handschrift ist im Besitz der Münchener Staatsbibliothek.

Bekannt sind die Biographien Hoffmanns über den großen ungarischen „Bischof Ottokar von Prohaszka" (1939), über Papst Pius XII. (1939) und über „Kardinal Bertram" (1954), als Heimgartenbrief Nr. 9 im St. Hedwigs-Werk erschienen.

Totenanzeige für Prof. Dr. Hermann Hoffmann. © Archiv Geutebrück

Seit 1933 gab Prof. H,. Hoffmann die wertvollen „Führer zu schles. Kirchen“ heraus, von denen bisher über 50 erschienen sind.

1936 begründete er das „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“, das jetzt von Prälat Dr. Kurt Engelbert herausgegeben wird. 1926 ging die Schriftenreihe „Zur schlesischen Kirchengeschichte“ voraus, die unter seiner Redaktion über 40 Bände herausbrachte. 1938 begann er die Schriftenreihen „Schlesische Priester“ und „Katholische Christen“.

Im Laufe von fünf Jahrzehnten hat Prof, Hermann Hoffmann weit über 200 Bücher und Aufsätze veröffentlicht. So konnte über seinem Studierzimmer der alte Mönchsspruch stehen: „Kein Tag, ohne zu schreiben!“

Wenn „unser Professor" nunmehr in das neunte Jahrzehnt seines reichgesegneten Lebens eintritt, verbindet sich mit dem Dank seiner ehemaligen Schüler auch der Dank der katholischen Schlesier und ostdeutschen Landsleute, die sein Werk und seine Persönlichkeit zu schätzen wissen. Jede Begegnung mit ihm war und ist eine innere Bereicherung, weil über allem das Menschliche steht, das in ihm zu vollster Entfaltung gekommen ist.

In ungetrübter Geistesfrische, allen Problemen der Zeit gegenüber aufgeschlossen, steht der 80-jährige heute noch in körperlicher Rüstigkeit vor uns als leuchtendes Ideal, wie er es ‚uns in der Jugend gewesen und heute noch ist. Wie anders wäre dieser Fest- und Ehrentag verlaufen, hätten ihn seine Schüler und Freunde im Schatten der Breslauer Domtürme und unter dem Glockengeläut und Orgelklang der alten Gymnasialkirche feiern können.

Heute leben wir alle in der großen deutschen Diaspora, der gute Professor in Leipzig C 1, Petersteinweg 17, der eine hier, der andere dort. Unsichtbar aber umschlingt alle ein Band der Liebe und Treue, das im schlesischen Heimatboden wurzelt und heute enger geschlungen ist, denn je zuvor.

Von Friedrich von Hügel stammt das Wort, das Prof. Hermann Hoffmann zur Maxime seines Lebens geworden ist: „Es gibt keinen tieferen und gefährlicheren Feind ‚des Christentums als alles das, wäs es klein und eng macht.“ Hiernach hat Prof. Hoffmann gehandelt und gelebt. Sein Blick ging immer in die Weite und Tiefe. Er hat seinen Schülern die Weite und Fülle der katholischen Weltanschauung aufgezeigt und ihnen in pfingstlicher Freude Geist und Natur erschlossen. Vorwärts und aufwärts war stets sein Blick gerichtet.

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